30. Juli 2020 von Pascal Groß
Digitales Onboarding – Der Weg zum digitalen Versicherungskunden
Da jeder von euch in irgendeiner Form als Kunde mit Versicherungen zu tun hat, stehen die Chancen gut, dass ihr auch schon Online Services im Versicherungsbereich genutzt habt. Das kann je nach Versicherer und Produkt ein angenehmes oder eher ernüchterndes Erlebnis gewesen sein. Daher möchte ich hier erläutern, wie ein zufriedenstellendes digitales Onboarding aussehen kann, welche Aspekte eine Rolle spielen und welche Entwicklungen zu erwarten sind.
Was ist digitales Onboarding?
Ähnlich wie beim Online Banking erwarten Kunden heute auch im Bereich der Versicherung, dass sie nicht für jedes Anliegen ihren Versicherungsvertreter oder Makler physisch aufsuchen müssen. Stattdessen finden viele Interaktionen auf digitalem Wege statt, sei es via E-Mail an den Vertreter oder über ein Kundenportal. Dies betrifft alle Aspekte des Kundenlebenszyklus: vom Vertragsabschluss über Schadensmeldungen und Datenänderungen bis hin zur Kündigung von Policen.
Als Versicherungsunternehmen kann man all diese Punkte singulär betrachten. Aus meiner Sicht ist es allerdings besser, dem Kunden online ein umfassendes und integriertes Kundenerlebnis auf Basis eines zentralen Nutzerkontos zu bieten.
In diesem Kontext verstehe ich unter digitalem Onboarding die Befähigung eines Kunden, Online Services des Versicherungsunternehmens zu nutzen sowie das Angebot bestmöglicher Unterstützung im digitalen Kundenlebenszyklus.
Dementsprechend kann bereits das Anbieten eines einzelnen digitalen Service unter Angabe von eindeutigen Merkmalen (zum Bespiel Name, Adresse, Geburtsdatum oder Versicherungsnummer) als digitales Onboarding verstanden werden. Ich möchte mich mit euch aber auf die Schaffung einer zentralen Online-Identität („Kundenkonto“) konzentrieren.
Welchen Vorteil bietet eine zentrale Online-Identität?
Meiner Ansicht nach ist ein zentrales Kundenkonto für alle Online Services von Vorteil - sowohl für den Kunden als auch für das Versicherungsunternehmen.
Nehmen wir zum Vergleich das oben genannte Beispiel der eindeutigen Merkmale: Ihr müsstet als Kunde ohne ein zentrales Konto jedes Mal, wenn ihr einen digitalen Service nutzen wollt, die genannten Eingaben tätigen – inklusive der Versicherungsnummer, die man üblicherweise nicht im Kopf hat oder bei sich trägt. Habt ihr ein Kundenkonto, reicht es aus, euch mit diesem Konto zu authentifizieren und die benötigten Daten stehen zentral zur Verfügung. Diese können dann beispielsweise auch verwendet werden, um Formulare für einen neuen Produktabschluss vorzubefüllen. Somit wird dem Kunden eine komfortablere Customer Journey ermöglicht.
Für den Versicherer wiederum bieten sich mit einer zentralen Online-Identität zusätzliche Möglichkeiten zur personalisierten Ansprache auf Basis des Nutzerverhaltens. Dies ermöglicht passende Cross-Selling-Angebote („Next best action“) oder Erinnerungsprozesse. So könntet ihr beispielsweise darauf hingewiesen werden, dass ihr vor einer Woche begonnen habt, einen Tarif für eine Hausratsversicherung zu berechnen oder dass gerade ein neuer Tarif erschienen ist.
Mit einem Kundenkonto sind zudem weitere Services möglich – etwa ein digitales Postfach zur Kommunikation zwischen Kunde und Versicherungsunternehmen.
Aber wie komme ich nun zu einer zentralen Online-Identität, die auch einen Mehrwert bieten kann? Hierzu ist eine Erstanmeldung beziehungsweise Registrierung notwendig. Das ist der erste und zentrale Schritt des digitalen Onboardings. Die Registrierung kann durch den Kunden selbst oder durch einen Mitarbeitenden des Versicherungsunternehmens erfolgen, muss aber gewisse Voraussetzungen erfüllen. Insbesondere ist es rechtlich notwendig, den Kunden erstmalig zu identifizieren, damit er Informationen zu Versicherungen einsehen oder sogar Versicherungen abschließen kann. Hierzu habe ich in meinem Artikel „Wer bin ich? Identitätsfeststellung im Wandel“ bereits verschiedene Verfahren vorgestellt und eingeordnet.
Auch ein Double-Opt-In für Kommunikationsdaten kann Teil des digitalen Onboardings sein, ob direkt bei der Registrierung oder nachgelagert. So wird die Datenqualität gesteigert und es ergeben sich weitere Kontaktmöglichkeiten.
Welche Aspekte sind zu beachten?
Generell steht das digitale Onboarding immer im Spannungsfeld zwischen Nutzerkomfort und Sicherheit, sowohl bei der Erstanmeldung als auch im späteren Lebenszyklus. Auf der einen Seite möchte der Kunde schnell und mit möglichst wenigen Eingaben an sein Ziel gelangen, andererseits werden insbesondere Personenversicherungen - rechtlich sowie im Kundenverständnis - als besonders schützenswert vor fremdem Zugriff empfunden.
Neben der einmaligen Identitätsfeststellung ist bei der Sicherheit auch das Thema Authentifizierung ein zentraler Aspekt. Klassischerweise erfolgt eine solche Authentifizierung mit einem Benutzernamen oder einer E-Mail-Adresse und Passwort. Sinnvoll ist es zudem (verpflichtend oder optional), eine Zweifaktorauthentifizierung mit einem zusätzlichen Besitzfaktor anzubieten. Wenn ihr Online Banking nutzt, kennt ihr dies bereits, da eine solche „starke Authentifizierung“ im Banking-Bereich seit September 2019 auf Basis von PSD2 verpflichtend ist.
Neuere Authentifizierungsverfahren verzichten zum Teil auch vollkommen auf ein Passwort, um den Faktor Mensch auszuschließen, der ein zu einfaches Passwort wählt oder sich das sichere Passwort nicht merken kann und es daher im Klartext an seinen Bildschirm klebt. Hier kommen beispielsweise Authenticator Apps zum Einsatz, die nach Eingabe eines persönlichen Merkmals – etwa dem Fingerabdruck - ein Einmalpasswort generieren.
Ein weiterer wichtiger Aspekt im digitalen Onboarding sind Einwilligungen. Personalisierter Werbung per E-Mail oder der Analyse des Nutzerverhaltens auf Basis von Cookie Tracking muss der Kunde explizit zustimmen. Daher sollten entsprechende Abfragen ebenfalls Teil des digitalen Onboardings sein.
Wichtig ist, dass das digitale Onboarding nicht als ein abgeschlossener Prozess („Registrierung“) zu verstehen ist. Double-Opt-Ins oder Einwilligungen beispielsweise müssen nicht zwingend direkt bei der Erstanmeldung eingeholt werden. Die Identität kann auch später situationsgerecht mit diesen Informationen angereichert werden. Möglicherweise ist der Kunde eher bereit, in Werbung einzuwilligen, wenn es ihm in der entsprechenden Situation einen Mehrwert bietet.
Wie geht es weiter?
Mit der Digitalisierung der Versicherungsbranche nehmen auch die Kundenerwartung und die damit in Zusammenhang stehende Bedeutung von digitalem Onboarding zu. Insbesondere Themen wie Cross-Device-Funktionalität und Omni-Channel spielen eine große Rolle.
Rechtliche und technologische Entwicklungen im Bereich des Identity und Access Management führen dazu, dass die Komplexität des Themas weiter wächst, während die Kunden einfache Lösungen erwarten. Daher wird die Bedeutung von spezialisierten IAM-Lösungen für das digitale Onboarding in den nächsten Jahren aus meiner Sicht weiter steigen.
Ihr möchtet mehr zu spannenden Themen aus dem Versicherungsbereich erfahren? Dann werft auch einen Blick in unserer bisher erschienenen Blog-Beiträge.