16. Februar 2023 von Stephan Thies
Warum Brownfield-Projekte nicht von vorneherein zu verteufeln sind
Der Support für SAP ERP läuft 2027 aus. Wollen Unternehmen weiterhin erfolgreich sein, müssen sie handeln und kommen über kurz oder lang nicht an SAP S/4HANA vorbei. Es gibt verschiedene Ansätze, wie die Transformation zu S/4HANA gelingen kann. Häufig haben Unternehmen die Wahl zwischen zwei Ansätzen: Greenfield oder Brownfield. Doch welcher Ansatz ist besser? Und gibt es überhaupt einen „besseren“ oder „schlechteren“ Ansatz?
Ein Greenfield-Projekt ist in der Regel dann sinnvoll, wenn ein Unternehmen eine komplett neue SAP-Landschaft aufbauen möchte oder sich explizit von alten gewachsenen Prozessen trennen möchte. Es bietet die Möglichkeit, die SAP-Landschaft von Grund auf neu zu gestalten und alle Prozesse und Anwendungen an marktgängige Standardprozesse anzupassen und die Restandardisierung voranzutreiben. Im Gegensatz dazu geht es bei einem Brownfield-Projekt darum, das bestehende System so schnell wie möglich in die S/4HANA-Welt zu bringen. Dabei werden nur an einzelnen Stellen obligatorische Prozessänderungen vorgenommen.
Im Folgenden möchte ich euch die Vor- und Nachteile von Brownfield-Projekten aufzeigen – denn entgegen mancher Meinungen ist der Brownfield-Ansatz keineswegs per se zu verteufeln. Am Markt herrscht derzeit teilweise die Stimmung vor, dass niemand die einmalige Chance der S/4-Transformation verpassen darf. Denn nur hier hat man die Chance, sich wirklich nochmal mit allen Kernprozessen zu beschäftigen. An dieser Stelle möchte ich euch auch noch aufzeigen, warum ein Brownfield-Vorgehen in vielen Fällen die richtige Wahl sein kann, in manchen Fällen sogar die richtige Wahl sein sollte!
Vor- und Nachteile von Brownfield-Projekten
Die Durchführung eines Brownfield-Projekts bietet eine Reihe von Vorteilen:
- Niedrigere Umstellungskosten: Die Einführung eines komplett neuen Systems von Grund auf kann teuer sein, während die Aktualisierung eines bestehenden Systems unter Umständen mit wesentlich geringeren Kosten verbunden ist.
- Kürzere Zeit bis zur Umstellung: Bei einem Brownfield-Ansatz kann das Team auf der vorhandenen Infrastruktur und Codebasis aufbauen, wodurch die Zeit bis zur Inbetriebnahme des neuen Systems verkürzt wird.
- Geringer Change-Aufwand: Sowohl die technischen als auch die fachlichen Projektmitglieder kennen die aktuellen Prozesse und es müssen keine neuen Prozesse in der Organisation eingeführt werden, abgesehen von einigen obligatorischen Änderungen.
Brownfield-Projekte haben jedoch natürlich auch ihre Nachteile, unter anderem:
- Technische Schulden: Im ersten Schritt stehe ich gar nicht schlechter da als vor der Umstellung. Allerdings verpasst man die Chance, in einem großen Schritt die technischen Schulden zu bereinigen. Denn bei einer Brownfield-Umstellung gilt das Shit-In-Shit-Out-Prinzip und man profitiert im ersten Schritt nur von wenigen systemseitigen Verbesserungen.
- Lücke zum aktuellen Entwicklungsstand: Da immer wieder Neuerungen in S/4HANA veröffentlicht werden, ist es schwierig, die Lücke zum Standard zu schließen. Möglicherweise wurden in der Vergangenheit bereits Funktionen entwickelt, die nun im Standard vorhanden sind und man muss entweder noch einmal aktiv umsteigen oder diese weiterhin warten.
Die Vor- und Nachteile eines Brownfield-Vorgehens gelten spiegelbildlich auch für einen Greenfield-Ansatz annehmen. Warum und wann sollte man als IT-Verantwortliche beziehungsweise -Verantwortlicher oder CEO eines Unternehmens einen Brownfield-Ansatz nun aktiv in Erwägung ziehen? Auch in kleinen Unternehmen führt eine Greenfield-Einführung dazu, dass sich die Teams intensiv mit den eigenen Prozessen auseinandersetzen müssen. Dies führt zwangsläufig dazu, dass gegebenenfalls Aufgaben des Tagesgeschäfts oder der geschäftlichen Weiterentwicklung auf der Strecke bleiben.
Versetzen wir uns nun in die Lage eines produzierenden Unternehmens mit gut gefüllten Auftragsbüchern oder eines Anlagenbauers, der für die nächsten Jahre ohnehin mit 200 Prozent Auslastung plant. Diese sind gar nicht in der Lage, sich so intensiv mit einer Systemumstellung zu beschäftigen.
Ebenso kann es sein, dass Unternehmen von Lieferkettenproblemen betroffen sind und die wirtschaftliche Entwicklung in ihrer Branche als unsicher einschätzen. Auch hier stellt sich die Frage, ob Investitionen in die IT getätigt werden sollen, wenn vielleicht doch Investitionen in Forschung und Entwicklung oder Diversifizierung für die Zukunft des Unternehmens dagegen abgewogen werden müssen.
All dies sind Gründe, die weit über das technische Projektvorgehen hinausgehen und berücksichtigt werden sollten. Mit der richtigen Herangehensweise kann ein Brownfield-Projekt eine kosteneffiziente und zuverlässige Lösung darstellen, mit der ein Unternehmen der Forderung nach Investitionssicherheit in die SAP-Systeme nachkommt – und damit auch über 2027 hinaus auf das Herzstück seiner Unternehmens-IT bauen kann. Der Weg zu den Neuerungen von S/4HANA ist auch nach einem Brownfield-Umstieg nicht verschlossen. So können Unternehmen weiterhin die Business Technology Platform von SAP für Erweiterungen nutzen und sich über einen kontinuierlichen Optimierungsprozess Schritt für Schritt an den Standard und das wahre Potential von S/4HANA herantasten.
Fazit
Ich möchte noch einmal dafür plädieren den Umstellungsweg nicht von vornherein festzulegen. Denn jenseits von Green- und Brownfield gibt es noch verschiedene hybride Varianten, die sich auch im Aufwand voneinander unterscheiden. Vielmehr sollte er in Abhängigkeit vom Zustand des Systems und vor allem von den aktuellen strategischen Handlungsfeldern im Unternehmen bestimmt werden.
Ihr möchtet eure Systeme auf S/4HANA umstellen, wisst aber nicht, wie und wo ihr anfangen sollt? Kein Problem – unsere Expertinnen und Experten beraten euch gerne und unterstützt euch auf dem Weg zu einer erfolgreichen Transformation. Sprecht mich oder meine Kolleginnen und Kollegen gerne an - entweder über meine LinkedIn-Seite oder über unsere adesso Orange Homepage. Wir freuen uns auf euch!