22. Dezember 2022 von Simon Bächle, Ellen Szczepaniak und Zoe Holdt
VideKIS: Ein Jahr Forschung
Für einen zuverlässigen und sicheren Netzbetrieb in zukünftig dekarbonisierten Energieversorgungsystemen müssen Systemdienstleistungen wie die Spannungs- und Frequenzhaltung auch von dezentralen Erzeugungsanlagen, zum Beispiel Wind- und Wasserkraftwerken, erbracht werden statt wie bisher von Atom- oder Kohlekraftwerken. Durch die regelungstechnischen und administrativen sowie die aktuellen Anforderungen an die Systemdienstleistungsbereitstellung ist vor allem eine Teilnahme kleinerer Anlagen oft nicht realisierbar. Um den Zugang kleiner Wind-, Solar- und Wasserkraftanlagen zum Primärregelleistungsmarkt zu ermöglichen, werden bereits heute Erzeugerkonstellationen zum Verbund als virtuelles Kraftwerk zusammengefasst.
Im Rahmen des Forschungsprojektes VideKIS (Integrierter virtueller Kraftwerksverbund aus dezentralen Kleinanlagen zur KI-gestützten Erbringung von Systemdienstleistungen) soll ein Leitsystem entwickelt werden, das auf Basis historischer Wetter- und Anlagendaten Leistungsprognosen und mögliche Portfoliozusammenstellungen bereithält und als Entscheidungsgrundlage für die Teilnahme am Energiemarkt dienen wird.
Der Fokus liegt dabei auf optimaler Ressourcenausnutzung sowie der Gewährleistung eines wirtschaftlichen und zuverlässigen Netzbetriebs. Mit dem Zusammenschluss wird eine gemeinsame Stromvermarktung und die Übernahme von netzdienlichem Verhalten ermöglicht, zum Beispiel durch die Bereitstellung von kurzfristigen Reserven für die Netzbetreiber.
Das Besondere an VideKIS:
- Fokus auf die Einbindung von Klein- und Kleinstkraftwerken
- Fokus auf die Bereitstellung von Primärregelleistung
- kosteneffiziente Steuerung der Prozesse mittels KI
Um diese Umsetzung zu ermöglichen, wird zunächst KI-gestützt ein technisch optimiertes Portfolio erstellt. Diese Zusammensetzung wird dann mittels eines zweiten KI-gestützten Systems wirtschaftlich optimiert; dabei sind zum Beispiel historische Angebotsgrößen, Aktivierungskosten und Verschleiß als Faktoren relevant. Darüber hinaus wird die Verlässlichkeit der Prognosen konstant durch fortlaufendes Monitoring der Anlagenfahrpläne und durch Validierung der kombinierten Leistungsprognosen aller Anlagen erhöht.
Für die Konzipierung und Entwicklung des virtuellen Kraftwerks kommt ein Konsortium aus sechs Partnern zusammen, die verschiedene Kenntnisse und Fähigkeiten in das Projekt einbringen, dessen Erfolg sicherstellen und eine effiziente Umsetzung möglich machen:
Das Institut für Energiesysteme, Energieeffizienz und Energiewirtschaft der TU Dortmund (ie³) ist eines der führenden deutschen Hochschulinstitute im Bereich der elektrischen Netze, mit Schwerpunkt auf der Integration von auf erneuerbaren Energien basierenden Systemen sowie den sich daraus ergebenden technischen und wirtschaftlichen Fragestellungen. Hier erfolgt die simulative Entwicklung des virtuellen Kraftwerks.
Die urban energy GmbH entwickelt cloud- und KI-basierte Energiemanagementsysteme zur optimierten Nutzung von Energie in zellularen Quartieren. Mit gebündeltem Knowhow in den Bereichen KI, intelligente Algorithmen, Data Science und Energiewirtschaft liefert sie eine kombinierte Leistungsprognose für alle Anlagen und erstellt die technische Auswahl zur Poolzusammensetzung.
Die Kolleginnen und Kollegen bei adesso besitzen fundiertes energiewirtschaftliches Fachwissen, das bereits in vorangegangenen Projekten gerade im Hinblick auf virtuelle Kraftwerke aufgebaut und unter Beweis gestellt wurde. Sie entwickeln vorrangig Vermarktungsstrategien für die technischen Poolzusammensetzungen. Zudem bietet adesso ganzheitliche IoT-Lösungen an und stattet das virtuelle Kraftwerk mit einer entsprechenden Plattform samt Analysetools aus.
Die H&S Hard- & Software Technologie GmbH & Co. KG ist als Dienstleister für Unternehmen der Industrie und Energieversorgung tätig und hat Dienstleistungen und innovative Produkte zur Revision und Automatisierung von Wasserkraftwerken im Portfolio. Neben modernen und zukunftsorientierten Steuerungslösungen bietet H&S außerdem die Erneuerung oder Revision von mechanischen Komponenten an. Im Rahmen des Forschungsprojektes beschäftigt sich das Unternehmen zudem mit der dezentralen Steuerung der Kraftwerke.
Die Mainzer Stadtwerke setzen mit ihrer Tochtergesellschaft MEE stark auf den Ausbau der erneuerbaren Energien in den Sparten Solar-, Wind- und Wasserkraft und liefern Kraftwerksexpertise und Daten im Bereich Betrieb und Instandhaltung. Für das Forschungsprojekt werden die Stadtwerke zusätzlich zwei Laufwasserkraftanlagen für die praktische Validierung von Modellen zur Verfügung stellen.
Was ist bisher passiert?
Das Projekt startete im September 2021 und hat eine Laufzeit von drei Jahren. Seitdem wurden erste Arbeitspakete abgeschlossen, Simulationen entwickelt und Abschlussarbeiten (aus)geschrieben. Im September dieses Jahres fand in der Dortmunder Geschäftsstelle ein erstes Treffen der Konsortialpartner in Präsenz statt, bei dem Arbeitsstände verglichen und diskutiert sowie Ziele und Meilensteine noch erweiternd definiert werden konnten. Zudem wurden die bereits erwähnten Laufwasserkraftwerke gemeinsam besichtigt, um im nächsten Schritt für die Bereitstellung von Primärregelleistung ausgestattet zu werden.
Das Projekt wird nicht nur vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert, sondern auch innerhalb von adesso durch den Innovations Fonds unterstützt.
Wie geht es weiter?
Innerhalb von adesso befinden sich mittlerweile etwa 20 Mitarbeitende in der Projektumsetzung, sowohl aus der Line of Business Utilities als auch aus der Line of Business Data & Analytics, die gemeinsam die Vermarktungsstrategien des virtuellen Kraftwerks und die betriebswirtschaftliche KI entwickeln. Beim internen Kick-off im Dezember kommen dafür erstmals alle beteiligten adessi zusammen.
Weitere spannende Themen aus der adesso-Welt findet ihr in unseren bisher erschienenen Blog-Beiträgen.