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Nachdem wir in unseren vergangenen Blog-Beiträgen zum „Notfallplan Gas“ über die Frühwarnstufe und die nachgelagerte Alarmstufe berichtet haben, ist es jetzt an der Zeit, sich genauer dem dritten und finalen Schritt des „Notfallplan Gas“ zu widmen, der Notfallstufe. Diese beschreibt Konsequenzen bei massiven langfristigen Lieferungsausfällen.

Welche Vorbereitungen wurden bereits getroffen? Anhand welcher Indikatoren wird eine Entscheidung über den Ausruf der Notfallstufe getroffen? Wie sieht der Ablaufplan für ein solches Szenario aus? Und vor allem, wie wahrscheinlich ist ein solches Eintreten?

In diesem Blog-Beitrag geben wir euch einen Überblick über die aktuelle Lage und fassen die wichtigsten Punkte zusammen.

Aktuelle Situation in der Gasversorgung (Stand: 27.12.2022)

Seit dem 23.06.2022 gilt die Alarmstufe des Notfallplans. Die Alarmstufe zeichnet sich durch eine erhebliche Verschlechterung der Gasversorgungslage aus, die aus einer Störung der Gasversorgung oder einer außergewöhnlich hohen Nachfrage resultiert. Trotz der erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage ist der Markt noch in der Lage, die Situation zu bewältigen und es bedarf keines staatlichen Eingriffs innerhalb der Gasversorgung. Dennoch gilt die Lage weiterhin als angespannt und eine weitere Verschlechterung der Situation kann nicht ausgeschlossen werden. Die Bundesnetzagentur beobachtet die Situation genau und steht im engen Kontakt mit den Netzbetreibern.

Es kommt nach wie vor kein Gas durch die Nord Stream 1 Pipeline. Das russische Gas wird durch Lieferungen aus Norwegen, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg ersetzt. Zusätzlich sollen an der deutschen Küste 11 LNG-Terminals entstehen, um die russischen Gasimporte zu ersetzen. Das erste LNG-Terminal wurde am 17.12.22 in Wilhelmshaven eröffnet und wird seit dem 21.12.22 betrieben. Die anderen sollen im Jahr 2023 fertiggestellt werden. Die darüber hinaus vorhandenen Gasspeicher sind aktuell zu 88 Prozent gefüllt. Das kalte Winterwetter Anfang Dezember hat zu einem erhöhten Verbrauch geführt, wodurch die Speicherstände sanken. Durch die höheren Temperaturen der letzten Tage sinkt der Verbrauch und die Speicher füllen sich wieder. Dieser Zyklus ist während der Heizperiode üblich.

Aktuelle Vorbereitungen für die Notfallstufe

Mit der Aufstellung des Notfallplan Gas im Jahr 2019 wurde auch die finale Notfallstufe für die Bundesrepublik Deutschland beschrieben. Im Vergleich zur Alarmstufe sind für den Ausruf der Notfallstufe erhebliche Störungen der Gasversorgung beziehungsweise eine andere beträchtliche Verschlechterung der Versorgungslage notwendig, sodass hoheitliche Eingriffe durch den Bundeslastverteiler nicht mehr umgangen werden können. Nach Ausruf wird die Bundesnetzagentur zum Bundeslastverteiler. Sie übernimmt im Falle einer Krise die Verteilung der noch zur Verfügung stehenden Gasmengen. Dieser Prozess erfolgt in Abstimmung mit den Gasnetzbetreibern. Um potenzielle Abläufe zu diskutieren, bildeten die Bundesnetzagentur, das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, der BDEW und der BDI verschiedene Arbeitsgruppen – das Ergebnis: Ein Ablaufdiagramm. Ebenso beschäftigen sich die Arbeitsgruppen mit möglichen Indikatoren, die für die Entscheidung eines Ausrufs der Notfallstufe herangezogen werden sollen. Ferner werden diverse Simulationen durchgeführt, die verschiedene Szenarien unter Berücksichtigung der Eintrittswahrscheinlichkeit beleuchten.

Indikatoren zum Ausruf der Notfallstufe

Genaue Indikatoren sind noch nicht veröffentlicht worden. Im Notfallplan selbst werden massive und langfristige Lieferausfälle, keine ausreichende Verfügbarkeit von Regelenergie, Gefährdung der Versorgung von geschützten Gruppen und Ausfälle von wesentlichen Leitungen aufgeführt.

Ablaufplan

Der Ablaufplan ist ein Ergebnis der Arbeitsgruppe und beschreibt das geplante Vorgehen und die Kommunikation bei Eintritt der Notfallstufe. Es handelt sich dabei um ein lebendes Dokument, das durch noch andauernde Diskussionen bearbeitet und ergänzt wird. Das folgende Vorgehen ist vorgesehen (Stand 10/2022):

  • 1. Die Bundesregierung ruft die Notfallstufe aus. Dadurch wird die Bundesnetzagentur zum Bundeslastverteiler. Ihr obliegt in Abstimmung mit den Netzbetreibern die Verteilung von Gas.
  • 2. Der Bundeslastverteiler kann bei potenziellem Mangel, der auf Prognosen basiert, bestimmte Verfügungen erlassen. Dadurch wird der Gasverbrauch begrenzt und auf einem geringeren Niveau stabilisiert. Ziel ist es, den Grundbedarf an Gas zu gewährleisten. Dafür sollen nicht geschützte Gruppen wie industrielle und große Verbraucher, wenn möglich, 72 Stunden nach Veranlassung den Verbrauch um einen festgelegten prozentualen oder absoluten Wert senken. Haushalte und kritische Infrastrukturen zählen zu den geschützten Kunden und sind nicht davon betroffen. In Ausnahmefällen muss dies auch kurzfristiger geschehen. Neben den allgemeinen Verfügungen können für sehr große Letztverbraucher (≥10 MWh/h) auch individuelle Verfügungen beschlossen werden. Die Bekanntgabe erfolgt bei allgemeinen Verfügungen durch die Medien und bei individuellen Veranlassungen durch die auf der Sicherheitsplattform Gas hinterlegte E-Mail-Adresse. Die Veranlassungen sollen jeweils für sieben bis 14 Tage gelten. Eine Bilanzierung der Verbrauchsreduktion - gerade in Bezug auf die Bilanzkreise - befindet sich zurzeit noch in Diskussion.
  • 3. Parallel dazu kann der Bundelastverteiler Verfügungen erlassen und über die Menge der Ausspeisung aus den Speichern entscheiden.
  • 4. Nach den 72 Stunden wird überprüft, ob die Verfügung umgesetzt wurde. Dazu erhalten die Ausspeisenetzbetreiber den marktlokationsscharfen Lastgang des Folgetages nach Wirksamkeit der Verfügung. Falls die Vorgaben umgesetzt und der Verbrauch gesenkt werden kann, gilt das Ziel als erreicht und das System ist auf einem niedrigeren Niveau stabil. Nach 14 Tagen läuft die Verfügung aus und es kann eine neue Verfügung veranlasst werden.
  • 5. Wurden die Vorgaben nicht umgesetzt, meldet der Ausspeisenetzbetreiber zeitnah die Missachtung an den Bundeslastverteiler und tritt in Kontakt mit dem Gruppen. Diese müssen sich erklären und haben mit harten Konsequenzen zu rechnen. Neben einer Schließung der Absperreinrichtung durch den Ausspeisenetzbetreiber sind Zwangsgelder und eine Vollstreckung mithilfe der Landespolizei möglich. Über Einzelheiten wird zurzeit noch diskutiert.
  • 6. Spätestens 48 Stunden nach der Zwangsdurchführung ist das System auf einem niedrigeren Niveau stabil.

Fazit

Wie die Bundesnetzagentur mitteilt, gibt es noch keine Aussicht auf eine Entspannung der Lage. Besonders ein kalter Winter kann uns hart treffen. Nach dem pessimistischen Szenario der Bundesnetzagentur, in dem der Verbrauch so hoch wie in den letzten Jahren war und die Lieferung um 20 Prozent sinkt, reichen die Vorräte nur bis in den März 2023 hinein. Kann der Verbrauch dauerhaft um 20 Prozent gesenkt werden, kommen wir nach bisherigen Analysen sicher durch den Winter und das mit Speichern, die mit über 70 Prozent noch ausreichend gefüllt sind. Dies bildet auch eine solide Grundlage für die Vorbereitung des nächsten Winters. Es ist also unerlässlich, unserer Rolle als Sparweltmeister weiterhin gerecht zu werden und den Verbrauch zu senken. Zusätzlich müssen die LNG-Terminals schnellstmöglich fertiggestellt werden.

Für den Fall der Fälle laufen vorbeugend bereits jetzt die Vorbereitungen zur geplanten Umsetzung der Notfallstufe. Ein Instrument zur Umsetzung ist der in diesem Beitrag dargestellte Ablaufplan, der das geplante Vorgehen sowie die Kommunikation im Falle des Ausrufs der Notfallstufe beschreibt. Der Ablaufplan beinhaltet sechs Punkte, die in vier Phasen (Ausruf, Erlassen von Verfügungen, Kontrolle und Ahndung) zusammengefasst werden können. Haushalte und kritische Infrastrukturen sollen geschützt werden. Industrielle und große Letztverbraucher müssen dagegen mit Einschränkungen rechnen. Der Ablaufplan befindet sich jedoch noch in einem Arbeitsstand und weist noch einige Lücken auf. Diese Lücken müssen von den Arbeitsgruppen geschlossen und weitere Punkte näher spezifiziert werden.

Wir halten Euch auf dem Laufenden! Stay tuned!

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Autor Jonas Schnorrenberg

Jonas Schnorrenberg ist Maschinenbauingenieur und arbeitet bei adesso als Consultant im Bereich Utilities mit Fokus auf der Beratung von Unternehmen in der Energiewirtschaft. Sein Schwerpunkt lag in den vergangenen Jahren auf der Leitung von Projekten im Bereich der Energie- und Kraftwerkstechnik. Nach seinem abgeschlossenen Master in Maschinenbau bildet er sich nun nebenberuflich im Rahmen eines Masters in Business Administration weiter.

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Autor Stephen Lorenzen

Stephen Lorenzen ist Managing Consultant bei adesso und seit fast fünf Jahren in der Energiewirtschaft tätig. Er versteht sich als pragmatischer und interdisziplinärer Allround-Berater mit mehrjähriger Berufserfahrung in den Bereichen Innovationsmanagement, Requirements Engineering sowie klassischem und agilem Projektmanagement.

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Autor Maximilian Hammes

Maximilian Hammes ist Consultant in der Line of Business Utilities bei adesso mit den Schwerpunkten Data Analytics und Prozessmanagement. Als Projektleiter und Requirements Engineer unterstützt er Kunden bei der Umsetzung von Digitalisierungsprojekten.

Kategorie:

Branchen

Schlagwörter:

Energiewirtschaft

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