24. Juli 2023 von Simon Bächle, Zoe Holdt und Timo Hartmann
Mehr als nur ein Vertrag: Power Purchase Agreements als Motor für Innovation
Was sind Power Purchase Agreements (PPA)?
Power Purchase Agreements (PPAs) bezeichnen spezielle Stromlieferverträge, die zwischen Kraftwerksbetreibern und Stromabnehmern geschlossen werden. Sie regeln langfristig, oft mit einer Laufzeit zwischen fünf und zwanzig Jahren, Lieferung und Kauf festgelegter Strommengen sowie die bilanzielle Abwicklung dieser. Der Stromerzeuger verpflichtet sich dabei, eine bestimmte Menge Strom zu erzeugen oder zuzukaufen und an den Abnehmer zu liefern. Der Abnehmer wiederum verpflichtet sich, den gelieferten Strom über einen festgelegten Zeitraum zu einem vereinbarten Preismodell zu kaufen. Sie finden häufig bei geplanten Großinvestitionen für Aufbau oder Weiterbetrieb von Anlagen der erneuerbaren Energien Anwendung und sind heutzutage vor allem in den USA schon weit verbreitet.
PPAs bieten für beide Vertragsparteien eine Reihe von Vorteilen. Während die verringerte Abhängigkeit vom Strommarkt – und teilweise stark schwankenden Strompreisen – für Abnehmer vor allem eine hohe Planungssicherheit bedeutet, bietet sie vor allem Stromproduzenten betriebswirtschaftliche Vorteile. Die garantierte Abnahme von erzeugtem Strom mindert in ihrem Fall das Betriebsrisiko und erhöht gleichermaßen die Kreditwürdigkeit: Die Projekte werden also sicherer, planbarer und gegebenenfalls sogar profitabler.
Strom aus erneuerbaren Energien wird seit dem Jahr 2000 mittels der EEG-Umlage gefördert. Dabei wird grün produzierter Strom mit einer festen Einspeisevergütung bezuschusst und liefert Investitionssicherheit bei dem Ausbau von Solar-, Wind-, Biomasse- und Wasserkraftanlagen. Für den Anspruch auf EEG-Förderung muss bei einem Neubau von größeren Anlagen (zum Beispiel bei PV-Kraftwerken ab einem Megawatt Nennleistung) eine erfolgreiche Teilnahme an einer Ausschreibung absolviert werden. Alternativ kann der Neubau von Anlagen ohne die EEG-Förderung finanziert werden, indem im Vorhinein mittels PPAs die Kraftwerksleistung an einen Abnehmer verkauft wird. Nicht nur für Neubauprojekte können PPAs attraktiv sein, denn nach Ablauf der zwanzigjährigen EEG-Förderung erhalten die Anlagen keine Einspeisevergütung mehr und müssen eine neue Vermarktungsmöglichkeit wählen. Diese sogenannten Post-EEG-Anlagen können mittels PPA ihren Strom weiterhin wirtschaftlich verkaufen.
Unternehmen können durch den Bezug von grünem Strom mit Herkunftsnachweis ihre Nachhaltigkeitsziele unterstützen und ihr Engagement für Umweltschutz und erneuerbare Energien unterstreichen. Indem sie die Abnahme des Ökostroms garantieren, tragen sie aktiv zur Weiterentwicklung und dem Betrieb von Wind- und Solaranlagen bei.
Welche Arten von Power Purchase Agreements gibt es?
Grundsätzlich können alle PPAs untergliedert werden in Merchant und Corporate PPAs. Im ersten Fall handelt es sich um einen Stromliefervertrag zwischen einem Erzeuger und einem Stromhändler, im zweiten Fall wird der Vertrag zwischen Stromerzeugern und einem Unternehmen als Endverbraucher geschlossen.
On-site PPA
Man spricht von einem On-site Power Purchase Agreement, wenn eine direkte physische Stromlieferung zwischen Erzeuger und Verbraucher erfolgt. Dies erfordert eine geringe Distanz zwischen Erzeuger und Verbraucher, denn bei dieser Vertragsart wird eine direkte Verbindung mittels Kabel zwischen Kraftwerk und Abnehmer hergestellt. Das Kraftwerk ist nicht an das öffentliche Stromnetz angeschlossen und befindet sich hinter dem Zählpunkt (Ort, an dem der Strom gemessen wird) des Verbrauchers, beispielsweise auf dem eigenen Betriebsgelände. Durch diese direkte Stromverbindung entfallen in der Regel die zu zahlenden Netzentgelte, denn der erzeugte Strom nutzt nicht die Infrastruktur der Verteilnetze. Die Größe der Anlage und das Volumen des Power Purchase Agreement hängen stark von dem Lastprofil des Abnehmers (etwa einer Industrie) ab und werden in der Regel individuell konzeptioniert. Meistens deckt der On-site PPA nicht den kompletten Bedarf ab, sodass die fehlenden Strommengen (Residualstrom) von einem Energieversorgungsunternehmen über das öffentliche Netz bezogen werden müssen. Bei allen On-site PPAs handelt es sich um Corporate PPAs, da die Abnehmer immer ein verbrauchendes Unternehmen darstellen.
Ein anschauliches Beispiel hierfür sind Industriebetriebe mit einer für die Stromerzeugung nutzbaren Fläche (zum Beispiel ein überdachter Parkplatz, ein Hallendach oder eine Freifläche), die ihre Stromkosten senken wollen. Häufig möchten die Betriebe jedoch nicht selbst eine Photovoltaikanlage installieren und die damit verbundenen Risiken tragen. Stattdessen schließen sie ein On-site PPA mit einem Projektentwickler ab, der die Photovoltaikanlage errichtet und den erzeugten Strom an den Industriebetrieb verkauft.
Off-site PPA
Off-site Power Purchase Agreements ermöglichen die bilanzielle Abnahme einer vordefinierten Menge an Strom, die über das öffentliche Netz vom Erzeuger zum Verbraucher geliefert wird. Demnach besteht keine Notwendigkeit einer räumlichen Nähe zwischen der Erzeugungsanlage und dem Verbraucher. Dies bietet Flexibilität bei der Wahl der Standorte für Kraftwerke, sodass zum Beispiel Offshore-Windanlagen aus Norddeutschland Strom an Industrien in Süddeutschland verkaufen können. Des Weiteren ist es möglich, dass mehrere Abnehmer durch verschiedene PPAs beliefert werden. Im PPA wird ein fester Strompreis vereinbart, der langfristige Preissicherheit bietet. Abgaben sowie Netzentgelte werden weiterhin an den Netzbetreiber gezahlt.
Als Beispiel könnte ein Unternehmen in einer Stadt ein Off-site PPA mit einem Projektierer abschließen, der in einer ländlichen Region einen Solarpark betreibt. Der Projektierer liefert die vereinbarte Strommenge über das öffentliche Netz an das Unternehmen, ohne dass eine direkte physische Lieferung erfolgt.
Sleeved PPA
Bei einem Sleeved Power Purchase Agreement handelt es sich um eine Variante des Off-site PPA, bei dem ein Energiedienstleister als Vermittler zwischen Erzeuger und Verbraucher agiert. Zusätzlich bietet der PPA-Anbieter verschiedene Dienstleistungen an:
- Bilanzkreismanagement
- Ankauf von Reststrommengen sowie den Verkauf von überschüssigem Strom
- Erstellung von Prognosen zur Einspeisung
- Handel mit Herkunftsnachweisen (Grünstromzertifikaten)
- Aggregation von verschiedenen Stromerzeugern zu einem Anlagenportfolio
- Übernahme von Ausgleichsenergiekosten oder Ausfallrisiken
Durch diese Dienstleistungen wird ein Sleeved PPA zu einer umfassenden Lösung für Unternehmen, die ihre Energiebezugsverträge optimieren möchten.
Synthetic/Virtual PPA
Der grundlegende Unterschied bei einem Synthetic (oder Virtual) PPA liegt darin, dass keine physische Lieferung zwischen dem Erzeuger und dem Abnehmer vorliegt, sondern es sich lediglich um eine finanzielle Vereinbarung handelt. Der Tatsache geschuldet, dass es keine physische Energielieferung gibt, findet man solche Lösungen vor allem im Bereich der Off-site PPAs. Wie bei jedem PPA vereinbaren Verkäufer und Abnehmer einen Preis für eine festgelegte Strommenge, jedoch wird dies noch durch einen Contract for Difference (CfD) ergänzt. Bei einem CfD wird der festgelegte Preis mit dem variablen Börsenpreis verglichen. Damit beide Parteien sowohl bei steigenden wie auch bei sinkenden Börsenpreisen keine Nachteile aus dem synthetischen PPA erleiden, sorgt der CfD dafür, dass die Differenz der jeweils anderen Partei ausgezahlt wird.
Herausforderungen und Risiken von Power Purchase Agreements
Die Verträge, die den PPAs zugrunde liegen, sind oft nicht standardisiert. Daher ist es erforderlich, über umfangreiches Wissen aus der Energiewirtschaft und dem Vertragsrecht zu verfügen, um sinnvolle und rechtsgültige PPAs abzuschließen.
Eine weitere Herausforderung ergibt sich aus der Auswahl des PPA-Partners. Aufgrund der mit PPAs verbundenen Risiken und Komplexität ist es von großer Bedeutung, einen geeigneten Partner zu finden, der bereit und in der Lage ist, diese Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen. Insbesondere wenn mehrere verschiedene Partner am PPA beteiligt sind, können sich Verhandlungen in die Länge ziehen und die Risiken aufgrund von gegenseitigen Abhängigkeiten müssen vertraglich geregelt werden.
Obwohl PPAs dazu dienen, Preissicherheit zu gewährleisten, können sie sowohl für den Verkäufer als auch für den Käufer negative Aspekte beinhalten. Wenn ein PPA zu einem Festpreis abgeschlossen wird, kann dies für den Verkäufer nachteilig sein, wenn die Marktpreise stark steigen. Andererseits können stark fallende Marktpreise für den Käufer nachteilig sein. PPAs haben oft eine lange Laufzeit, typischerweise zehn bis zwanzig Jahre. Dies bedeutet, dass sich die Vertragsparteien bei einem Festpreis für einen erheblichen Zeitraum an die vereinbarten Bedingungen und Preise binden. Deshalb wird immer häufiger bei derartigen Verträgen ein Preiskorridor festgelegt, der eine Preisentwicklung in einem fest definierten Rahmen erlaubt und somit die Nachteile eines Festpreises reduziert.
Es zeigt sich, dass der Erfolg von PPAs zum Teil auch von einer guten Zusammenarbeit der Vertragsparteien abhängt. Das Risiko und die damit verbundene Komplexität sollten idealerweise gemeinsam bewältigt werden.
Beispiele erfolgreicher Power Purchase Agreements
Microsoft und Google haben Vereinbarungen getroffen, um erneuerbare Energien in ihren Rechenzentren zu nutzen und dadurch ihre CO2-Emissionen zu reduzieren. Google hat mit einem französischen Versorgungsunternehmen ein Abkommen über 100 Megawatt aus einem schottischen Windpark geschlossen, um seine UK-Operationen mit sauberer Energie zu versorgen. Gleichzeitig hat Microsoft eigene Vereinbarungen in Irland abgeschlossen, die mehr als 900 Megawatt an neu installierter Kraftwerksleistung aus erneuerbaren Energien umfassen und die dortigen Rechenzentren versorgen sollen. Die genauen Lieferanten wurden nicht offengelegt, aber es wird berichtet, dass die Energie aus einer Kombination von Wind- und Solarprojekten stammt. Beide Unternehmen streben an, bis 2025 beziehungsweise 2030 ihre Rechenzentren in Irland vollständig mit erneuerbarer Energie zu betreiben und dadurch einen bedeutenden Beitrag zur Nutzung von emissionsfreier Energie zu leisten.
Bisher werden überwiegend größere Kraftwerke (größer als 100 Kilowatt) mittels PPAs vermarktet, allerdings steigt zunehmend das Interesse an der PPA-Vermarktung von Kraftwerksleistung aus kleinen, dezentralen Erzeugereinheiten. Diese sind bisher zu klein und eignen sich demnach nicht für diese Vermarktungsform. Eine Lösung können virtuelle Kraftwerke darstellen, denn diese können mittels Software die dezentralen Kleinstanlagen zu einem virtuellen Pool bündeln. Dies ermöglicht eine größere und damit ausreichende Kraftwerksleistung für die PPA-Vermarktung. Im Rahmen des Forschungsprojekts VideKIS, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und dem adesso-Innovationsfond gefördert wird, wird ein derartiges virtuelles Kraftwerk entwickelt sowie an Konzepten für den wirtschaftlichen Betrieb von Kleinstanlagen geforscht.
Power Purchase Agreements schaffen somit sowohl für Anlagenbetreiber als auch für Stromabnehmer stabile Rahmenbedingungen, Planungssicherheit und eine nachhaltige Energieversorgung. Sie bieten eine Win-win-Situation, in der die Rentabilität von Anlagen gesteigert wird und Unternehmen ihre Umweltziele verwirklichen können.