Menschen von oben fotografiert, die an einem Tisch sitzen.

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Neben dem Einsatz und der Implementierung eines methodischen Frameworks ist für eine erfolgreiche agile Transition vor allem ein Kulturwandel notwendig. Denn nur mit einem entsprechenden agilen Mindset, das unter anderem Innovationen und Schnelligkeit durch Eigenverantwortung forciert, kann flexibel auf sich ändernde Bedürfnisse von Kundinnen und Kunden sowie Marktsituationen reagiert werden. Ein agiles Mindset lässt sich nicht umfassend schulen oder verordnen, es muss sich auf allen Ebenen entwickeln. Dies benötigt nicht nur Zeit, sondern vor allem auch Motivation, Offenheit und Durchhaltevermögen aller Beteiligten.

Für agile Teams und Führungskräfte besteht auf dem langen Weg einer agilen Transition die Gefahr, in alte – vermeintlich bewährte – Verhaltensmuster zurückzufallen. Einen solchen Rückfall bezeichnen wir als agile Regression. Da sich eine agile Regression schleichend entwickelt, sind die in unserem Blog-Beitrag Die agile Regressionsfalle benannten Indikatoren im Alltag nur sehr schwer oder erst spät erkennbar.

Um dies zu erleichtern, beschreiben wir in unserem aktuellen Blog-Beitrag zusätzlich zu den Indikatoren typische Situationen, die im Rahmen einer agilen Transition häufig auftreten, und auch direkte, punktuelle Ansätze zur Abschwächung einer agilen Regression. Zudem empfehlen wir eine neutrale Transitionsbegleitung, die dabei hilft, mit einem „Blick von außen“ den Erfolg der agilen Transition nachhaltig sicherzustellen.

Typische Situationen und punktuelle Ansätze zur Abschwächung einer agilen Regression

Stress erkennen und darauf reagieren

Mit der Einführung agiler Vorgehensweisen gehen oftmals Versprechungen einher, dass die Softwareentwicklung schneller, kostengünstiger und besser (z. B. kundenzentriert oder technisch qualitativ hochwertiger) erfolgt. Solche Erwartungshaltungen können sowohl bei agilen Teams als auch bei Führungskräften Stress auslösen.

Um Stress durch und in der Veränderung gar nicht erst entstehen zu lassen, ist von Anfang an darauf zu achten, dass sich ein agiles Mindset entwickeln kann. Insbesondere moderne crossfunktionale Teamstrukturen, neue Rollen und vor allem neue Verantwortlichkeiten erfordern von Teammitgliedern ein Umdenken. Denn die oftmals aus dem traditionellen Projektmanagement bekannten „Silos“ und horizontal abgegrenzten Verantwortlichkeiten können das Gefühl einer „Scheinsicherheit“ vermitteln.

Alle Teammitglieder benötigen daher die Zeit, sich in die neuen Rollen einzuleben und als Team zu finden. Agile Teams sollten vor allem die Möglichkeit bekommen, innerhalb des methodischen Rahmens unterschiedliche agile Methoden und Praktiken anwenden und ausprobieren zu können. Damit können die Teams dann feststellen, welche dieser modernen Methoden und Praktiken ihnen in ihrer individuellen Teamsituation dabei hilft, schnell und flexibel exzellente Lösungen zu entwickeln.

Neben den agilen Teams muss sich ein agiles Mindset auch bei Führungskräften entwickeln. Denn diese müssen sich ebenfalls in ein agiles Setting mit geänderten Verantwortlichkeiten und neuen Prozessen einfinden. Führungskräfte sollten daher auch die Zeit bekommen, um ihre eigenen Erfahrungen zu machen. Sie müssen beispielsweise lernen, wie mit agilen Teams zu kommunizieren ist oder wie Anforderungen in Form von Feedback – etwa bei einem Review – eingebracht werden können.

Zudem werden auch Führungskräfte mit Erwartungen von Stakeholdern konfrontiert. Daher sollten auch Führungskräfte neue Methoden und Praktiken zur Steuerung agiler Teams anwenden und ausprobieren können. Denn nur dadurch kann ein Rückfall in alte Verhaltensmuster verhindert werden.

Während einer agilen Transition lässt es sich nicht immer vermeiden, dass agile Teams oder Führungskräfte Stresssituationen ausgesetzt werden. Der erste und wichtigste Schritt ist festzustellen, wie die agilen Teams und Führungskräfte mit solchen Situationen umgehen. Im besten Fall hat sich ein agiles Mindset bereits so weit entwickelt, dass die agilen Teams und Führungskräfte flexibel auf die Stresssituationen reagieren. Es besteht allerdings auch das Risiko, dass eine Stresssituation zu einem Rückfall in alte, gelernte Verhaltensmuster führt.

Hierbei spielen vor allem Scrum Master oder Agile Coaches eine wichtige Rolle. Denn diese können im Rahmen von Retrospektiven, durch Äußerungen in Reviews oder auch durch den direkten Austausch mit Beteiligten erkennen, ob ein Rückfall in alte Verhaltensmuster stattgefunden hat. Beispielsweise werden bei Retrospektiven von den Teammitgliedern sequenzielle Prozesse („Mini-Wasserfälle“) festgelegt oder die Führungskräfte fordern in einem Review von dem Product Owner weitgehende (Controlling-)Reports an.

Es muss nun mit allen Beteiligten gemeinsam Transparenz darüber hergestellt werden, dass die zusätzliche Einführung traditioneller Methoden und Praktiken keine angemessene Reaktion auf Stresssituationen ist. Denn agile Vorgehensweisen entfalten insbesondere in solchen Situationen ihre volle Stärke, da sie den Rahmen schaffen, um schnell und flexibel auf geänderte Umstände reagieren zu können.

Intransparenz durch eine nachhaltige Fehlerkultur vermeiden

Arbeiten agile Teams nicht transparent, besteht die Gefahr, dass sich Schattenstrukturen aus dem traditionellen Vorgehen wieder etablieren. Hier ist es besonders wichtig, eine nachhaltige Fehlerkultur zu etablieren. Wer Angst hat, Fehler zu machen oder gar wegen Fehlern angefeindet zu werden, wird nie seine Arbeit offenlegen. Für ihn steht immer die Vermeidung und gegebenenfalls Vertuschung von Fehlern im Mittelpunkt. Dies gilt sowohl für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch für Führungskräfte. Andersherum, wenn die Führungsebene nicht transparent arbeitet, fällt es den Teams schwer, eigenverantwortlich zu agieren und Verantwortung zu übernehmen.

Im traditionellen Umfeld gelten Fehler als etwas Negatives. Für jeden Mitarbeitenden gilt in diesem Rahmen häufig, Fehler zu vermeiden, denn wer Fehler machte, wurde bestraft. Dieses Mindset abzustellen, ist eine der großen Herausforderungen einer agilen Transition.

Eine Fehlerkultur lässt sich nicht verordnen. Eine Fehlerkultur lässt sich auch nicht erlernen. Sie muss erlebbar werden. Dies bedeutet einerseits, dass Führungsebenen die Fehlerkultur vorleben müssen, und andererseits, dass es keinerlei Restriktionen geben darf, wenn Fehler passieren. Dieser Schritt ist sehr groß und an dieser Stelle fallen Führungskräfte oft in alte Denkmuster zurück.

Aus diesem Grund muss die Fehlerkultur eines Unternehmens oder einer Organisation auch zu Beginn einer agilen Transition festgeschrieben werden. Oft genügt ein einfacher Satz, der die Fehlerkultur auf den Punkt bringt. Ein Beispiel hierfür ist: „Wir machen keine Fehler, wir lernen.“ Es sind aber auch andere Formulierungen möglich wie beispielsweise: „Lieber hinterher um Verzeihung bitten als vorher um Erlaubnis.“ Auf diese oder ähnliche Sätze müssen sich alle berufen können. Erst dadurch wird die Grundlage für transparentes Arbeiten geschaffen.

In die Autonomie der Teams darf nicht eingegriffen werden. Teammitglieder und Führungskräfte müssen lernen Fehlschläge auszuhalten. Jeder Eingriff in die Teamautonomie bedeutet ein Rückfall in alte Verhaltensmuster. Alle Teammitglieder sollten sich der Autonomie ihres Teams sicher sein. Auch sie sollte festgeschrieben sein, so dass sich jede bzw. jeder immer darauf berufen kann. Auf diese Weise werden Führungskräfte gegebenenfalls wieder auf einen agilen Weg zurückgebracht.

Bewusstsein schaffen, um eine agile Regression nachhaltig zu vermeiden

Um eine agile Regression zu vermeiden, gilt es die Beteiligten dafür zu sensibilisieren, dass die Gefahr einer agilen Regression besteht und diese zu verhindern ist. Die in unserem vorangegangenen Blog-Beitrag Die agile Regressionsfalle benannten Indikatoren behalten wir hierfür im Auge. Auch bei einem gelungenen Start der agilen Transition kommen irgendwann möglicherweise erste offene Zweifel ans Tageslicht. Alle an der Transition Beteiligten sollten hierfür ein offenes Ohr haben und sofort das Team darüber informieren. Auch wenn das Vertrauen der Führungsebene offensichtlich abnimmt, sollten die Alarmglocken aller Beteiligten läuten. Wird die Transition sogar offen in Frage gestellt, besteht dringender Handlungsbedarf. In jedem Fall sollte das gesamte Team involviert werden, um gemeinsam mit den Beteiligten eine angemessene Lösung zu entwickeln.

Der richtige Ort und der richtige Zeitpunkt, um dieses Bewusstsein frühzeitig zu schaffen, sind alle initialen Veranstaltungen. Vom ersten Kick-off bis hin zu den ersten Retrospektiven sollten alle Beteiligten über die Gefahr einer agilen Transition informiert werden, die Indikatoren sollten aufgezeigt und gemeinsame Handlungsoptionen geklärt sein.

Beteiligte einer agilen Transition sollten in der Regel agil ausgebildet werden. Etwaige Schulungen, Trainings oder Workshops sollten das Thema „Agile Regression“ beinhalten. Auch hier werden dann Indikatoren und Handlungsmöglichkeiten vermittelt, um so das nötige Bewusstsein zu schaffen.

Die berechtigte Regression

Der Versuch des regressiven Zurückziehens auf bekannte Stufen der Organisation lässt sich in systemtheoretisch beeinflussten Auffassungen (z. B. Ciompi) wiederfinden. Unter sich verändernden, womöglich für Einzelne extremen und belastenden Bedingungen strebt ein System gleichsam automatisch zu einem anderen Gleichgewichtszustand. Dieser neue Gleichgewichtszustand weist dann Merkmale auf, die an andere frühere, vermeintlich bessere Organisationsstufen erinnern (beschrieben in psychodynamischen Modellen in der Psychiatrie von Stavros Mentzos).

Bei einer agilen Transition wollen wir in der Regel eine Gruppe, ein Produktteam oder eine ganze Organisation positiv entwickeln und mittels des agilen Settings modernisieren und für künftige Anforderungen des Marktes vorbereiten.

Und doch kann es berechtigt sein, dass ein Team oder eine ganze Organisation diesen Schritt nicht gehen will. Möglicherweise wurde bereits bei der Planung der agilen Transition zu wenig Aufmerksamkeit darauf gelegt, ob die geplante Entwicklung für alle Bereiche des Unternehmens und seiner Organisation passt. Management und Beratungsfirma sind sich einig, dass eine agile Transition sehr gut ist für die Zukunft der Organisation. Also wird die gute agile Lösung dann mit dieser Überzeugung schlicht in alle Bereiche der Organisation ausgerollt.

Dabei wird manchmal übersehen, dass das agile Setting eben nicht immer passt. Und vor allem werden vor lauter positiver Veränderungsdynamik zwei wichtige Grundsätze einer Transition vergessen:

  • Aus Betroffenen sollen Beteiligte werden.
  • Es soll Raum geben für unterschiedliche Veränderungsgeschwindigkeiten.

Wenn beides nicht angemessen in den Transitionsprozess eingewoben ist, werden berechtigte Hinweise und Zweifel sowie berechtigte Kritik möglicherweise kurzerhand zur Seite gewischt. Frei nach dem Motto „Was für Einzelne gut ist, muss auch für alle gut sein“ erhöht dann das Management den Druck auf die Bereiche, die nicht im Takt bleiben. Und genau in einer solchen Phase – erst leise und schleichend und dann mit zunehmender Deutlichkeit – wollen Organisationsbereiche in alte Muster zurückfallen.

Spätestens jetzt sollten die Alarmglocken bei den Agile Coaches läuten. Es kann klug und hilfreich sein, den Ursprung der Regression zu prüfen. Und möglicherweise stellt ein Coach fest, dass das agile Setting aktuell eben nicht für den Bereich passt oder dass es generell nicht passt.

Es ist dann für die Entwicklung der Gesamttransition gut, wenn genau das ermöglicht wird – die Veränderung in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Das schafft Zeit, aus Betroffenen Beteiligte zu machen, die dann für ihren Bereich prüfen können, ob und wie das agile Setting in ihrem Bereich passen könnte.

Mit einer neutralen Transitionsbegleitung den Erfolg einer agilen Transition nachhaltig sicherstellen

Um auf Anzeichen agiler Regression frühzeitig und angemessen reagieren zu können, empfehlen wir den Einsatz der Transitionsbegleitung. Eine neutrale Person, im Idealfall ein Agile Coach, sollte sich damit beschäftigen, agilen Regressionen entgegenzuwirken, aufkommende Regression abzuwehren und einen langfristigen Erhalt der Transitionsergebnisse sicherzustellen.

Um eine angemessene Neutralität der Transitionsbegleitung zu wahren, sollte sie durch Personen wahrgenommen werden, die nicht Teil des agilen Transitionsteams sind. Damit wird gewährleistet, dass die Transitionsbegleitung objektiv erfolgt und ihr Blick nicht durch den Alltag der Transition getrübt wird.

Die Transitionsbegleitung besucht die Veranstaltungen der Tradition sowie die ersten Zeremonien des gestalteten Umfelds. Dabei beobachtet sie die genannten Indikatoren und ruft gegebenenfalls gesonderte Retrospektiven ein. Zudem ist sie zentrale Ansprechperson für alle Beteiligten, insbesondere für diejenigen, denen Anzeichen einer agilen Regression auffallen.

Fazit

Wie generell im Leben, können Menschen in Organisationen und ganze Organisationen in scheinbar bewährte traditionelle Techniken zurückfallen und agile Modelle ablehnen. Im Kern lässt sich dieses Risiko durch transparente Kommunikation reduzieren. Und das Vertiefen der Vorteile eines agilen Mindsets kann auch in Stresssituationen die Regression abwenden. Zudem kann eine neutrale Person in Form einer Transitionsbegleitung dabei helfen, den Erfolg einer agilen Transition nachhaltig sicherzustellen. Ziel ist es, den Schmerz und die Kosten im Falle einer Regression niedrig zu halten. Aber das werden wir im nächsten Beitrag vorstellen.

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Autor Florian Petermann

Florian Petermann ist Managing Consultant in der Line of Business Insurance bei adesso. Er beschäftigt sich als Organisator und aktives Mitglied der Community of Practice „Agile@Insurance“ der Line of Business Insurance mit dem Thema „Agilität in der Versicherungsbranche”.

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Autor Andreas Honert

Andreas Honert ist Managing Consultant in der Line of Business Insurance bei adesso. Er beschäftigt sich als aktives Mitglied verschiedener Communities of Practices mit den Herausforderungen des Aufbaus eines agilen Settings in Organisationen und der damit verbundenen Veränderungsbegleitung.

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Autor Stefan Hilmer

Stefan Hilmer durchlief im Rahmen seiner bisherigen Berufstätigkeit eine persönliche agile Transition vom Prozess- und Projektmanager hin zum Scrum Master, Agile Coach sowie Methoden- und Organisationsberater. Heute ist er in der Line of Business Banking bei adesso tätig. Zudem ist er als Dozent an der Nordakademie beschäftigt und engagiert sich in verschiedenen Organisationen, insbesondere den von ihm moderierten Agile Talks (AgileTalks.de).

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