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Machen KI-basierte Kampagnenmodelle B2B so einfach wie B2C?

In etwas mehr als 13 Jahren im Social Media Marketing durfte ich die verschiedensten Kundenkampagnen aus B2C und B2B begleiten und stellte dabei immer wieder starke Unterschiede fest. Umso mehr brachte mich eine Aussage zweier Speaker der All Social Marketing Conference in München Mitte März 2023 zum Grübeln. In den Vorträgen wurde skizziert, wie effektives Social Advertising auf Meta und Co. aktuell aussehen sollte.

Beide Vorträge lassen sich auf einen gemeinsamen Kern herunterbrechen. Entscheidend für gute Werbung in Social-Media-Kanälen sind die Creatives. Das Targeting verliert gleichzeitig massiv an Bedeutung. Maßgeblicher Treiber für diese Entwicklung sind vor allem die Fortschritte in der Kampagnenausspielung, die inzwischen mehr und mehr durch KI-Modelle erfolgen kann. Mit den Möglichkeiten des Machine Learnings und der gigantischen Datensätze, über die Meta, LinkedIn und Co. verfügen, werden die alten Algorithmen nach und nach ersetzt. Kampagnen optimieren sich nun selbst im Laufe der Ausspielung durch die dazulernende KI.

Wie genau funktioniert nun gute Werbung in Social Media auf Basis der KI-Modelle?

Offenheit, Trial and Error und Variantenreichtum sind hier die Stichworte. Die Targetings sind komplett offen. Metas Advantage-Shopping-Plus-Kampagnen beinhalten zum Beispiel als Zielgruppe lediglich das Land der Ausspielung. Kein Alters-Targeting, keine Interessen und auch keine festgelegte Retargeting-Zielgruppe, wie etwa bisherige Käuferinnen und Käufer oder Websitebesucherinnen und -besucher. Die KI bedient sich hier der Daten, die bereits durch Pixel oder das Server-to-Server Tracking vorhanden sind. Diese Daten sind dann auch im weiteren Verlauf der Kampagne wichtig. Anhand der Reaktionen der Nutzerinnen und Nutzer auf die Werbemittel und des Verhaltens auf den Zielseiten „versteht“ die KI, welche Nutzergruppe Interesse an den Produkten hat. Diese Information kann entsprechend auf den vorhandenen Personenkreis der Social Networks angewendet werden, um genau die richtigen Nutzerinnen und Nutzer zu finden.

Dabei kommt den Creatives eine sehr wichtige Rolle zu. Sie sind der Testmechanismus einer Kampagne. Jeder Werbespot besteht dabei aus den drei Bestandteilen Hook, Core und CTA. Ein Aufmerksamkeit erzeugender Einstieg überführt in die Kernbotschaft, die letztlich mit einer klaren Aufforderung endet.

In einer Kampagne wird dann eine möglichst große Anzahl von Creatives eingesetzt, die unterschiedliche Hooks, Cores und CTA enthalten. Nach einer ersten Testphase werden erfolgreiche Bestandteile weitergeführt und nicht performante Elemente entfernt oder nachbearbeitet. So ist sichergestellt, dass die Creatives Schritt für Schritt der Nachfrage der Unternehmenskunden angepasst wird, um so möglichst effizient zu arbeiten.

So weit, so gut. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass der Verzicht auf das Targeting funktioniert. Auch wenn es sich zunächst unangenehm anfühlt, die Kontrolle über das Targeting aufzugeben und die Streuverluste hinzunehmen, bis die Optimierung eingetreten ist – die Ergebnisse der KI-Optimierung in Advantage-Shopping-Plus-Kampagnen sprechen für sich.

Für einen unserer E-Commerce-Kunden nutzten wir lange Zeit eine Kampagne mit einem bewährten Interessen-Targeting. Neben der Generierung von Reichweite und neuen Websitebesucherinnen und -besuchern amortisierte sich diese Kampagne auch weitgehend selbst. Die Umstellung auf eine Advantage-Shopping-Plus-Kampagne führte dazu, dass die Reichweitenwerte relativ identisch blieben, aber die Zahl der Websitebesucherinnen und besucher und insbesondere der ROAS deutliche Verbesserungen zeigten.

Aber wie sieht es im B2B Marketing aus?

Nun handelt es sich hierbei um eine B2C-E-Commerce-Kampagne mit einer großen potenziellen Zielgruppe, simplen Produkten und schnellen Produktzyklen. Wie gut schneidet diese „neue“ Herangehensweise aber ab, wenn wir uns ins B2B Marketing wagen? Natürlich stellte ich diese Frage auch den Speakern auf der ASMC. Die Antwort war in beiden Fällen identisch: „Lässt sich so auch für B2B anwenden!“

So einfach, wie es sich anhört, ist es dann leider doch nicht. Grundlegend lässt sich die oben skizzierte Struktur auch auf B2B-Kampagnen übertragen, allerdings stolpern wir dann recht schnell über einige Hindernisse.

1. Das tatsächliche Zielgruppenpotenzial

Die KI benötigt vor allem verwertbare Informationen, also in unserem Fall eine gewisse Zahl an Klicks, Leads oder Käufen. Im B2C ist selbst bei sehr spezifischen Produkten immer eine große Menge an potenziellen Interessierten vorhanden. Im B2B sind wir meist sehr spezifisch unterwegs. Da müssen es Entscheider-Level sein, Personen mit genug Erfahrung und entsprechenden Jobs oder Kenntnissen. Der Luxus, relevante Zielgruppengrößen von 50.000 Personen oder mehr zu haben, ist häufig nicht gegeben. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die KI weniger Informationen erhalten wird, um die Kampagne zu optimieren. Und selbst wenn es gelingt, dann wird sie länger benötigen und muss weit mehr Streuverluste eliminieren. Dies wirkt sich direkt auf die Kosten aus und der Lead selbst wird deutlich teurer.

Hier bietet sich ein Kompromiss an. Die Zielgruppe wird nicht komplett offengelassen, sondern vorab zumindest grob abgesteckt. Gut geeignet sind zum Beispiel nur die Senioritäten und die Branchen der Zielpersonen, sofern dies als Targeting vorhanden ist. Bei LinkedIn kein Problem, bei Meta und Co. fehlen dafür die Targeting-Optionen. Dort könnte immer noch mit komplett offenen Targetings gearbeitet werden. Erfahrungsgemäß sind aber nur wenige Unternehmen bereit, die höheren Kosten der Streuverlusteliminierung zu tragen.

Das ergibt auch in Hinsicht auf die deutlich längeren Produktzyklen Sinn. Wird ein Produkt nur alle paar Jahre erneut nachgefragt, schrumpft die ohnehin schon kleine potenzielle Zielgruppe noch weiter. Dann laufen Lead-Kampagnen ins Leere, weil nicht etwa generell das Interesse fehlt, sondern schlicht in diesem Moment. Diese Phasen bieten sich für Branding an, sind aber auch am schwierigsten für Werbetreibende, da hier über längere Zeit die harten KPI ausbleiben. Das führt zwangsläufig dazu, dass entweder kein Branding gemacht wird oder aber so effizient wie nur möglich gearbeitet werden muss, wodurch kein Raum für Experimente und KI-Optimierung bleibt.

2. Komplexität/Spezifität der Produkte

Die sehr eng gefassten Zielgruppen sind ein Indiz für eine weitere Eigenheit von B2B-Kampagnen. Oftmals sind die Produkte, Lösungen oder Dienstleistungen exakt auf einen Anwendungsfall zugeschnitten und gleichzeitig sind sie hochkomplex und für Laien nur schwer zu verstehen. Damit sind wir in der Erstellung der Creatives stärker eingeschränkt, als es bei B2C-Kampagnen der Fall ist. Die Möglichkeiten, ein umfangreiches Testing auf Creative-Basis durchzuführen, sind von vornherein minimiert. Das muss nicht heißen, dass hier nicht auch neue Wege gegangen werden können. Ein Unboxing einer tonnenschweren Industriemaschine kann durchaus seinen eigenen Charme haben und für Aufmerksamkeit sorgen. Generell wird es aber so sein, dass wir nicht mit einer großen Bandbreite an Creatives starten werden, sondern mit einigen wenigen Kernbotschaften, die nur leicht nuanciert werden.

3. Pragmatismus versus großes Kino

Für B2C-Kampagnen ist die Erzeugung von Emotionen und damit die Markenbildung ein wesentlicher Bestandteil, um sich vom Wettbewerb abzuheben. Dann steht nicht mehr das Produkt im Fokus, sondern die Emotionen, die damit verbunden sind. Eingebettet sind diese Emotionen dann oft in kinoreife Kurzfilme oder authentischere Momentaufnahmen von Nutzerinnen und Nutzern beziehungsweise Influencern.

Im B2B wird auch Markenbildung betrieben, aber die transportierten Werte sind viel pragmatischer und damit zum Teil auch dröger als die emotionalen B2C-Pendants. Das kann sowohl Vor- als auch Nachteil sein. Kennt eine B2B-Marke die wesentlichen pragmatischen Gründe für die Kaufentscheidung ihrer Kundinnen und Kunden, dann ergeben sich Hook, Core und CTA logisch daraus und die Kundschaft spart sich eine teure Produktion von Varianten. Gleichzeitig fehlt eben genau die Freiheit, um sich über Emotionen oder einen ansprechenden Markenkern von der Konkurrenz abzuheben.

Fazit

Also alles schlecht und weiter wie bisher auch? Jein. Die Herangehensweise ist im Grunde erfolgversprechend, wenn die Stolpersteine berücksichtigt werden. Über kurz oder lang werden auch im B2B die KI-Modelle erfolgreicher sein als die manuell erstellten und optimierten Kampagnen. Es wird aber wichtig sein, die KI gut zu füttern und auf ihre Aufgabe vorzubereiten. Im B2C benötigt es durch die hohen Fallzahlen nicht viel Vorbereitung. Dort kann die KI auf Basis der Reaktionen optimieren und das Testing kann auf Creative-Ebene vorgenommen werden. Im B2B müssen die Rahmenbedingungen klarer vorgegeben werden, ganz ähnlich wie bei aktuellen KI-Anwendungen, deren Ergebnisse massiv von den initialen „Prompts“ abhängen, also den spezifischen Arbeitsaufträgen an die KI.

Wenn ihr noch etwas tiefer in die Thematik eintauchen wollt und euch fragt, wie genau ihr die KI füttern müsst, um erfolgreiche Kampagnen umzusetzen, dann stehen wir euch gerne beratend zur Seite.

Bild Peter Fey

Autor Peter Fey

Peter Fey wird intern und auch bei Kunden aus gutem Grund „Social Pete“ genannt.

Nach 13 Jahren Social Media Beratung auf Agenturseite verfügt er über eine beachtliche Kundenerfahrung auf bekannten Marken wie Vodafone, LVMH, Michelin, Henkel, Bitburger Gruppe, Griesson de Beukelaer, Siemens Healthcare, ERCO, SPAX, Gudrun Sjoeden uvm.

Neben der holistischen Beratung zu Strategie und Kampagnenkonzeption steht für „Social Pete“ aktuell insbesondere die erfolgreiche Umsetzung von Social Paid Kampagnen im Fokus.

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