20. August 2021 von Nicole Gaiziunas
It’s a trap: Wie wir die gängigsten Fallen der Digitalisierung vermeiden
Die Digitalisierung der Arbeitswelt ist eine große Herausforderung, darüber sind sich viele Entscheiderinnen und Entscheider mittlerweile bewusst. Doch viel zu oft tappen sie beim Versuch, das Thema anzugehen, in die gleichen Fallen: Wer in Highspeed WLAN, hochwertige Endgeräte und Digitallösungen investiert, macht zwar Meter auf der Digitalreise gut, darf es aber nicht dabei belassen. Denn wer hier die Menschen mitsamt ihrer verschiedenen Perspektiven und Bedürfnisse vergisst, kommt nicht nur schlechter vorwärts, sondern macht im schlimmsten Fall sogar Rückschritte, – weil viel Geld für das Implementieren neuer Lösungen fließt, diese sich anschließend in der Company nicht oder nur viel zu langsam durchsetzen können. Doch wer die gängigsten Steine kennt, die Entscheiderinnen und Entscheider sich selbst und ihrer Belegschaft unbewusst in den Weg legen, muss nicht zwingend darüber stolpern – oder kann zumindest rechtzeitig entsprechend reagieren, wenn die Anstrengungen für eine zukunftsorientierte digitale Unternehmensstrategie plötzlich ausgebremst werden. Auch das gehört zur erfolgreichen digitalen Transformation dazu.
Falle Existenzangst: Digitalisierung und Stellenabbau
Eine der häufigsten Fallen sind unsere Ängste – wie die um die eigene Existenz: Viele Menschen assoziieren mit den Worten Digitalisierung und digitale Transformation nämlich einen groß angelegten Stellenabbau. Sie fürchten, dass ein Algorithmus ihren Job übernimmt und sie für ihren Arbeitgeber überflüssig werden. In manchen Bereichen mag das sogar zutreffen, doch das ist nur eine Seite der Medaille: Denn während manche Prozesse und Tätigkeiten – beispielsweise im produzierenden Gewerbe oder der Automobilindustrie – aufgrund von digitaler Optimierung nicht mehr gebraucht werden, entstehen auch jede Menge neue digitale Tätigkeiten und Jobprofile. Und dafür braucht es zusätzliche Qualifikationen – so weit, so gut.
Die Falle, in die Entscheiderinnen, Entscheider und Personalverantwortliche tappen können, wenn sie versuchen, ihren Mitarbeitenden die neuen Perspektiven zu schildern, ist folgende: Sie über- oder untertreiben. Entweder behaupten sie, dass jeder Job sicher wäre ODER sie sagen, dass jede/jeder IT-Expertin oder -Experte werden muss, um im Unternehmen bleiben zu können. Mit beiden Aussagen nähren sie allerdings die Existenzangst – denn Mitarbeitende glauben weder das eine noch das andere. Die Wahrheit liegt dazwischen! Daher ist die Lösung, um die Falle zu vermeiden: Spielt mit offenen Karten! Gebt zu, dass der Wandel auch Veränderungen für die Beschäftigten bedeutet – dass sogar einige Jobs wegfallen könnten, dies aber nicht das Hauptziel des Unternehmens ist. Übernehmt gleichzeitig Verantwortung und unternehmt gemeinsam mit den Beschäftigten das Nötige, um die Jobverluste zu vermeiden – so werdet ihr Ernst genommen. „Das Nötige unternehmen“ – das ist übrigens die angesprochene Qualifizierung für digitalere Tätigkeiten und Jobs, sogenanntes Reskilling. Damit lässt sich ein groß angelegter Stellenabbau in vielen Fällen vermeiden.
Falle Reskilling: Bremseffekte durch fehlende Kommunikation
Reskilling meint die Neuqualifizierung der bestehenden Belegschaft für digitale Jobprofile und bietet Unternehmen gute Perspektiven, um Mitarbeitende zu behalten und gleichzeitig ihr digitales Profil zu stärken. Doch auch wer sein Team digital fit machen will, kann in eine Falle tappen: Wichtig ist, beim Thema Reskilling alle Stakeholder innerhalb eines Unternehmens ins Boot zu holen. Viel zu oft werden die Bremseffekte, die schlechte interne Kommunikation nach sich zieht, ignoriert. Wenn sich beispielsweise ein Automobilhersteller entscheidet, seine Mechatronikerinnen und Mechatroniker neu zu qualifizieren, sollte er diesen Schritt nicht nur mit den betroffenen Mitarbeitenden besprechen. Auch die direkten Vorgesetzten und der Betriebsrat müssen in die Planung miteinbezogen werden. Wer sich übergangen fühlt, zückt sonst sehr schnell die Blockadekarte – obwohl sie oder er gegen die Qualifizierungsmaßnahme grundsätzlich nichts einzuwenden hätte. Warum auch? Die Vermeidung von Stellenabbau liegt im Interesse aller.
Die Lösung: Reskilling funktioniert nur im Schulterschluss. Besonders wenn auch andere im Unternehmen von den Auswirkungen der Reskilling-Maßnahmen betroffen sind, ist Reden die einzig richtige Wahl. Erfolgt die Weiterbildung beispielsweise während der Arbeitszeit, muss das in der Produktionsplanung berücksichtigt und Ziele müssen gegebenenfalls angepasst werden. Doch im Dialog kann man all diese Hürden aus dem Weg räumen und den Weg für zukunftsorientiertes Handeln, bei dem sich alle gut abgeholt fühlen, freimachen.
Falle Digital Readiness: Niemand ist so gut wie er oder sie denkt
Aus meiner persönlichen Erfahrung der vergangenen Jahre heraus ist mir eine weitere Falle enorm präsent: Wer die digitale Transformation im eigenen Unternehmen voranbringen möchte, weiß häufig nicht, wie es eigentlich um die digitale Readiness seiner Mitarbeitenden bestellt ist, geschweige denn um die eigene. Gemeint ist die Versiertheit im Umgang mit digitalen Tools und digitales Fachwissen. Entscheiderinnen und Entscheider überschätzen die digitale Readiness ihrer Company in aller Regel haushoch. Daher unterschätzen sie den Qualifizierungsbedarf innerhalb ihrer Belegschaft – und ihren eigenen gleich mit. Die Folge: Es wird viel Geld für neue Lösungen und Tools ausgegeben, mit denen anschließend niemand arbeiten kann. Mitarbeitende sind überfordert – keiner gewinnt.
Die Lösung, um diese Falle zu vermeiden: Bevor digitale Transformation startet, sollte man die digitale Readiness überprüfen, und zwar in darauf zugeschnittenen Tests. Wir haben damit große Erfolge bei vielen Kunden erzielt. Wenn der Test ergibt, dass nur zehn Prozent der Angestellten über Fachwissen für den digitalen Wandel verfügen, kann man gegensteuern und die digitale Readiness durch Qualifizierungsmaßnahmen auf Spur bringen – bevor der eigentliche Wandel startet. Die Formel lautet: Kennt eure Ausgangslage und zieht die nötigen Rückschlüsse. Natürlich mag es sich müßig anfühlen, wenn ungeplante Zwischenschritte vor der digitalen Revolution anstehen – doch noch müßiger ist es, Transformationsprozesse im Tempo einer Wanderdüne voranzutreiben. Wer die Fallen der Digitalisierung kennt und mit ihnen umzugehen weiß, kann viel schneller als vermutet den digitalen Turbogang einlegen.
Neben den genannten Beispielen gibt es noch einige andere Stolperfallen, denen Entscheiderinnen, Entscheider und Personalverantwortliche beim digitalen Wandel begegnen können. Wer mehr dazu und darüber, wie man am besten mit ihnen umgeht, lesen möchte, der wird in meinem neuen Buch „Die 44 Fallen der Digitalisierung“ fündig.