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Green IT ist längst kein neuer Trend mehr und vielen bereits ein Begriff, doch was genau ist darunter zu verstehen? Die Definition des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) teilt Green IT in zwei Gruppen:

Bei der ersten Gruppe handelt es sich um umweltverträgliche Produkte und Dienstleistungen der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT). Dazu zählen Hardware, Software, digitale Dienste wie Streaming, aber auch Rechenzentren. Hierbei werden der gesamte Lebenszyklus von IKT-Produkten sowie deren Umweltauswirkungen betrachtet.

Die zweite Gruppe beschreibt die Nutzung von IKT zur Umweltschonung. Das übergeordnete Ziel von Green IT ist, die ökologische und soziale Nachhaltigkeit in Bezug auf Informations- und Kommunikationstechnik zu steigern, indem man beispielsweise im Herstellungsprozess und während der Nutzung CO2- Emissionen verringert, Ressourcen schont und wiederverwendet.

Die öffentliche Hand als Regulator

Erste Green-IT-Ansätze finden sich schon 1992 in Form des von der US-Regierung eingeführten Umweltzeichens Energy Star für energieeffiziente Hardware. Mehr als 30 Jahre später betrachten bereits viele Unternehmen Nachhaltigkeit als wichtigen Teil der zukünftigen Unternehmensstrategie und sehen sie als einen entscheidenden Erfolgsfaktor, andere Unternehmen hingegen benötigen immer noch verpflichtende Vorgaben, um entsprechende Maßnahmen zu implementieren. Aus diesem Grund hat die Bundesregierung entsprechende Gesetze geschaffen. Das am 1. Januar 2023 in Kraft getretene Lieferkettengesetz beispielsweise verpflichtet große Unternehmen zur Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz über die gesamte Lieferkette hinweg. Zudem hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Oktober 2022 einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der die Regelungen für Rechenzentren in Bezug auf Energieeffizienz deutlich verschärfen soll – dieser befindet sich noch in Abstimmung (Stand März 2023). Wie aber steht es im öffentlichen Sektor selbst um Nachhaltigkeit und um die Umsetzung von Maßnahmen dort? Wie gestalten Behörden, die nicht den typischen Regeln der Privatwirtschaft unterliegen, ihre Prozesse und Strukturen möglichst nachhaltig?

Selbstverpflichtung der Bundesregierung zu Nachhaltigkeit

Bereits 2002 wurde die erste Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes veröffentlicht, die seither stetig aktualisiert wurde und sich seit 2016 an den 17 Nachhaltigkeitszielen der UN orientiert. Auch das Thema Green IT gewinnt in der öffentlichen Verwaltung zunehmend an Relevanz.

Die meisten Länder haben eigene Nachhaltigkeitsstrategien dahingehend entwickelt und auch auf Bundesebene werden Nachhaltigkeitsmaßnahmen ergriffen. Dies ist kein Zufall, denn im Kampf gegen den Klimawandel hat sich die Bundesregierung ambitionierte Ziele gesetzt: Das Klimaschutzgesetz sieht vor, bis 2045 Treibhausgasneutralität in Deutschland zu erreichen. Hierbei soll die Bundesverwaltung ausdrücklich eine Vorbildrolle einnehmen und sogar schon bis 2030 klimaneutral sein. Zur Erreichung dieses Ziels sind eine bundesweite nachhaltige IT-Landschaft und dafür notwendige Green-IT-Maßnahmen unumgänglich. Die Bundesregierung hat sich durch zahlreiche politische Rahmenbedingungen selbstverpflichtet, nachhaltig zu agieren.

Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung klimafreundlicher Leistungen (AVV Klima) beispielsweise schreibt Bundesbehörden besondere Kriterien zur Energieeffizienz und Umweltkriterien bei der Beschaffung vor. Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bei der Beschaffung ist auch im Koalitionsvertrag 2021 verankert. Sowohl im Deutschen Ressourceneffizienzprogramm III als auch im Klimaschutzprogramm wird zudem das Ziel gesetzt, dass die Rechenzentren des Bundes umweltverträglicher betrieben und die Kriterien des Blauen Engels für Rechenzentren eingehalten werden sollen. Das politisch-strategische Steuerungsgremium für die Verwaltungsdigitalisierung, der IT-Rat, hat dies im September 2022 erneut mit dem Beschluss [2022/05] bestätigt. Um die konkreten Zielstellungen in der komplexen Verwaltungslandschaft umzusetzen, hat die Bundesverwaltung bereits einige Schritte unternommen und entsprechende Stellen eingerichtet. So wurde 2008 die Green-IT-Initiative des Bundes, angesiedelt im BMUV, mit dem Ziel, die Bundes-IT nachhaltiger zu gestalten und den Energieverbrauch der Bundesverwaltung zu senken, gegründet.

Die Initiative kann bisher einen großen Erfolg verbuchen: Seit ihrer Gründung konnte der Energieverbrauch der Bundes-IT um 48 Prozent gesenkt werden (Stand Februar 2023). Weiterhin wurde 2011 eine Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung im Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) geschaffen, die Beratung und Schulungen für die rund 30.000 Vergabestellen in Bund, Ländern und Kommunen anbietet. Der Koordinierungsstelle Klimaneutrale Bundesverwaltung im BMWK kommt die Aufgabe zu, ein Maßnahmenprogramm mit konkreten und erforderlichen Maßnahmen zur Erreichung der Treibhausgasneutralität in Bundesbehörden zu erstellen. Es wird deutlich, dass die Bundesregierung hinsichtlich der eigenen Nachhaltigkeitsziele auf einem guten Weg ist – es bleibt aber immer noch einiges zu tun. Green-IT-Maßnahmen sind sicherlich eine große Herausforderung, jedoch bietet das Vorhaben auch enorme Chancen. Im Folgenden werden diese näher betrachtet.

Die öffentliche Verwaltung als Hebel am Markt

Neben offensichtlichen Vorzügen wie der Kostensenkung durch weniger Energieverbrauch und Einsparungen von Ressourcen sowie dem Schutz der Mitarbeitenden durch schadstoffarme Beschaffung gibt es noch weitreichendere Vorteile. Das jährliche Einkaufsvolumen von Bund, Ländern und Kommunen für IT-Produkte und -Dienstleistungen betrug allein im Jahr 2014 mehr als 20 Milliarden Euro – etwa ein Fünftel des IT-Markts in Deutschland. Dies zeigt deutlich, dass die öffentliche Verwaltung ein einflussreicher Kunde ist, der den Markt zu mehr Nachhaltigkeit bewegen könnte. So könnten Ausschreibungen für Hardware noch strengere soziale und ökologische Nachhaltigkeitskriterien vorschreiben, die Unternehmen möglicherweise dazu bewegen, ihre Produkte und Dienstleistungen entsprechend herzustellen und anzubieten. Hierzu zählen Aspekte wie Energieeffizienz, Material, Verpackung oder die Reparierbarkeit bzw. Wartbarkeit. Neben der Beschaffung umweltverträglicher Produkte könnte die öffentliche Hand auch den Markt für Rechenzentren verändern. Durch die fortschreitende Digitalisierung wird immer mehr Rechenleistung benötigt – damit steigt auch der Bedarf an Strom und Ressourcen. Die Umweltauswirkungen sind enorm. Allein im Jahr 2020 haben Rechenzentren laut Borderstep Institut in Deutschland 16 Milliarden Kilowattstunden verbraucht. Das entspricht einem CO2-Ausstoß von mehr als 2,7 Millionen Tonnen – umgerechnet mehr als 500.000 Langstreckenflüge. Die Bundesverwaltung hat einen enormen Bedarf an Servern – sie selbst nutzt circa 190 Rechenzentren mit einem Gesamtenergieverbrauch von mehr als 184 Millionen Kilowattstunden (entspricht dem CO2-Ausstoß von fast 6.000 Langstreckenflügen) im Jahr 2021 – und könnte als Kunde auf Nachhaltigkeitsaspekte beim Betrieb von Rechenzentren Einfluss nehmen, indem bei der Auswahl oder beim Eigenbetrieb Faktoren wie die Energieeffizienz, Abwärmenutzung und Auslastung von Servern berücksichtigt werden.

Auch im Bereich der Software könnte die Bundesverwaltung viel erreichen. So könnte sie beispielsweise selbst Software mit geringem ökologischem Fußabdruck entwickeln und weitreichend implementieren oder entsprechende Kriterien bei Ausschreibungen berücksichtigen. Hinsichtlich der hohen Anzahl an Mitarbeitenden in der öffentlichen Verwaltung und der Zunahme von Remote-Zusammenarbeit bieten auch nachhaltige IT-Dienstleistungen (zum Beispiel Webkonferenztools) enorme Potenziale für Energie- und somit Kostensenkungen.

Nachhaltigkeit birgt auch Herausforderungen

Neue, energieintensive Technologien, ständig wachsende Datenmengen und Regulatorik generell machen die Planung in Bezug auf Informationstechnologie ohnehin zu einem komplizierten Thema. Die öffentliche Verwaltung steht jedoch vor besonderen Herausforderungen, da sie bekannterweise nicht so flexibel wie privatwirtschaftliche Unternehmen handeln kann und zudem häufig mit Budgetkürzungen zu kämpfen hat.

Zusätzlich ist die Einführung von Green-IT-Maßnahmen mit großem Aufwand verbunden, da zunächst ein Status quo zur IKT ermittelt werden muss, um eine verlässliche Datenbasis für weitere Analysen und die Ableitung von Maßnahmen zu schaffen.


Schritte zur Einführung von Green-IT-Maßnahmen, Quelle: Zarnekow & Kolbe (2013)

Für den öffentlichen Sektor bedeutet das, sich einen Überblick über etwa 5 Millionen Beschäftigte und ihre Endgeräte zu verschaffen. Zusätzlich müssen Daten zu baulichen Faktoren wie zum Beispiel die Gebäudeenergieeffizienz erhoben werden und der Energieverbrauch von Endgeräten sowie Rechenzentren muss ermittelt werden. Dafür muss zunächst jedoch die nötige Infrastruktur mit entsprechenden Messgeräten und Monitoring-Tools geschaffen werden. Eine erfolgreiche Erhebung ist leider nur die halbe Miete: Auf Grundlage der Daten müssen Maßnahmen und Einsparpotenziale identifiziert werden, was jedoch nicht immer unkompliziert ist, da oft nur zusammengefasste Messwerte vorliegen. All diese Schritte muss die öffentliche Verwaltung parallel zu anderen, großen und sich stetig verändernden Projekten wie beispielsweise der IT-Konsolidierung Bund bewältigen. Hinzu kommt, dass es häufig an personellen Ressourcen fehlt und somit Mitarbeitende oft weder die Zeit noch die entsprechende Fachkenntnis besitzen, Green-IT-Maßnahmen in der erforderlichen Tiefe zu verstehen und umzusetzen. Neben entsprechenden Budgets für Nachhaltigkeitsthemen fehlen Kompetenzstellen, die ressortübergreifend Interesse und Verständnis vermitteln können, um die intrinsische Motivation bei Mitarbeitenden zu wecken.

Fazit

Es zeigt sich, dass die Einkaufsentscheidungen von Bund, Kommunen und Ländern erhebliche Auswirkungen auf den Markt und die Umwelt haben. Durch strategische Entscheidungen im Sinne der Nachhaltigkeit könnte die öffentliche Verwaltung einerseits erheblich Kosten einsparen, aber auch ihrer Vorbildfunktion gerecht werden. Es ist unabdingbar für die Erreichung einer klimaneutralen Verwaltung, schnelle und kompetente Entscheidungen zu treffen und die daraus resultierenden Maßnahmen umzusetzen. Nur so können die Grundvoraussetzungen für technologischen Fortschritt im Einklang mit der Umwelt geschaffen werden. Verpasst die Bundesregierung diese Strukturen zu schaffen, wird dies höchstwahrscheinlich irreversible Schäden sowohl für die Umwelt als auch für die Glaubwürdigkeit haben. Es gilt, der Verantwortung, ein Vorbild für Unternehmen und Zivilgesellschaft zu sein, gerecht zu werden und zu zeigen, dass das Thema Nachhaltigkeit hohe Priorität in der öffentlichen Verwaltung hat.

Bild Lynn Nguyen

Autorin Lynn Nguyen

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