13. Mai 2024 von Alexandra Windisch und Andreas Honert
Change Management – der wilde Tanz zwischen externen Beratenden und der internen Organisation
Wenn wir im Internet nach Projekten suchen, die durch Change Management (im folgenden CM) unterstützt werden, so handelt es sich häufig um Projekte im IT-Umfeld, die mit organisatorischen Veränderungen verbunden sind. CM hilft Organisationen, sich an die durch das IT-Projekt veränderten Randbedingungen anzupassen. Gleichzeitig lesen wir von Schwierigkeiten, CM in solchen Projekten erfolgreich umzusetzen. Aus unserer Sicht wird zu stark auf Strategien und Prozesse fokussiert. Und der Faktor Mensch in der Veränderung wird vernachlässigt. Häufig stoßen Veränderungsprojekte bereits auf Ablehnung, wenn nur das Wort „Change Management“ in den Mund genommen wird. Aus der Distanz betrachtet wirkt es wie ein wilder Tanz auf glattem Parkett. Häufig werden solche dann kränkelnden Projekte neu aufgesetzt und manchmal wirkt das Ganze wie die erfolglose Arbeit des Sissiphus.
Was ist in diesen Projekten schiefgelaufen? Vielleicht können wir vom Tanzsport lernen, worauf es bei erfolgreichen Change-Management-Projekten ankommt. Wie kann ein Projekt mit Change Management zu einem schönen Tanz und nicht zu einer Sissiphusarbeit werden?
Vor einigen Jahren hatte ich das Vergnügen, mit der Queen Mary 2, einem majestätischen Transatlantikliner, nach New York zu reisen. Jeden Abend spielte eine Band klassische Tanzmusik. Und - es gab sogenannte Dance Hosts, die vor allem allein reisende Frauen beim Tanztee oder auf den abendlichen Bällen das Tanzbein schwangen. Es ist ein festlicher Rahmen, und ein typischer klassischer Tanz dauert drei bis vier Minuten. Die Paare sollen Spaß haben und natürlich nicht auf dem Parkett ausrutschen. Und wenn wir das Parkett und die Tänzerinnen und Tänzer genau beobachten, sehen wir vor, während und nach dem Tanz eine immer wiederkehrende Abfolge von Schritten, fast eine Choreographie:
- Vorbereitung zum Tanz
- Aufforderung zum Tanz
- Aufstellung und Haltung der Tänzerinnen und Tänzer
- Der Tanz selbst
- Verabschiedung am Ende des Tanzes
Lasst uns im Folgenden vom Tanz für ein gutes, erfolgreiches CM lernen.
Vorbereitung des Tanzes
Zu einem gelungenen Ballabend gehören Taktgefühl, Kenntnisse der Standardtänze sowie angemessene Kleidung und Schuhe. Das gehört eben zum Wertesystem der klassischen Tanzgemeinde und betont das „Warum“, warum sich die Tänzerinnen und Tänzer auf das Parkett wagen.
Eine gute Vorbereitung eines IT-Projektes erfordert Aufmerksamkeit für die Werte des Change Managements - wir nennen das MindSet. Die Menschen in den Organisationen sollen im Rahmen des CM aktiviert, mitgenommen und zu Beteiligten gemacht werden. Veränderung soll Spaß machen. Denn CM funktioniert nicht auf Kommando, per Weisung oder Verfahrensanweisung. Deshalb ist es wichtig, nicht nur Strategien, Prozesse, Strukturen und Verhaltensweisen zu betrachten, sondern vor allem die betroffenen Menschen! Eine klare Antwort auf das „Warum“ ist wichtig. Die Menschen wollen die Notwendigkeit der Veränderung verstehen. Gibt es keine klare Antwort auf das „Warum“ der Veränderung, kein logisches „Warum jetzt?“, können Prioritäten im normalen Tagesgeschäft falsch gesetzt werden. Die Basis, d.h. die Werte des Change Managements müssen stimmen, dann gelingt der Tanz auf dem Veränderungsparkett.
Auffordern zum Tanz
Zumindest die Älteren unter uns erinnern sich sicher noch an ihre erste Tanzstunde. Damals lernte der Mann, seine Tanzpartnerin zum Tanz aufzufordern, sich ihr vorzustellen und sie dann auf die Tanzfläche zu begleiten. Sicherlich ist heute vieles gleichberechtigter, aber diese drei Schritte sind nicht nur beim Tanzen sehr hilfreich.
Im Durchschnitt laufen in den Unternehmen hierzulande fünf bis zehn Veränderungsprojekte gleichzeitig. Doch nur 20 Prozent der Projekte sind erfolgreich, so die Ergebnisse der Mutaree-Umfrage »Macht Change Spaß?«.
Und oft scheitert es schon an der Einladung zum gemeinsamen Tanz. Es ist wichtig, bei der Auswahl des passenden Kunden bzw. Projekts und des passenden externen Change Managers sehr sorgfältig vorzugehen. Beide Seiten sollten beim Kennenlernen offen und transparent miteinander umgehen und den Schmerz des Kunden gründlich erkunden. Ebenso sollte sichtbar werden, welchen Erfahrungsschatz der potenzielle Change Manager mitbringt. Hier zeigt er seine Qualität. Fragt er nach? Bohrt er nach dem „Warum“ und „Warum jetzt“ für das Projekt? Erforscht er auch die menschlichen Hürden des Projektes?
Spätestens bei dieser Auftragsklärung zeigen auch die Beratenden viel von sich, wenn sie die potentielle Kundin oder den potentiellen Kunden auf das Tanzparkett des zu schließenden Vertrages begleiten. Nur wenn die Kundin oder der Kunde und die Beraterin oder der Berater auf einem stabilen Parkett zusammenarbeiten, kann der Tanz seine volle Wirkung entfalten und das Team bewegt sich gemeinsam in die richtige Richtung.
Aufstellung und Haltung der Tanzpartnerinnen und -partner
Bei den klassischen Tänzen gibt es immer die „Sekunde“ vor dem eigentlichen Tanz. Das Paar berührt sich, nimmt die Tanzhaltung ein, baut Körperspannung auf, entscheidet, wer „führt“ und nimmt den Takt der Musik auf. Erst dann beginnt mit dem ersten Tanzschritt das Abenteuer des gemeinsamen Tanzens.
Und genau so sollte es auch zu Beginn des Change Managements im IT-Projekt sein: Neudeutsch „Onboarding“. Je besser diese Phase geplant ist, desto leichter fällt der Start in die eigentliche Arbeit. Wer sind die Stakeholder und wer die relevanten Personen im Projekt? Und schließlich: Wer sind die stillen Führer im Projekt? Mit wem muss und mit wem kann die Change Managerin oder der Change Manager Kontakt aufnehmen? Wie wird in der Organisation kommuniziert und wo ist der beste Platz für die Change Managerin oder den Change Mananger? Welche IT-Systeme muss, soll oder kann sie oder er beherrschen? Die Haltung zu all diesen Fragen entscheidet darüber, ob Change Management seinen Platz in der Organisation findet. Besonders wichtig ist eine gute Kommunikation im Projektteam und in der Organisation.
Gönnt euch diesen Moment des Luftholens. Haben wir beim Onboarding die notwendige Körperspannung und Klarheit erreicht? Nur dann kann der nächste Schritt starten … das eigentliche Change Management, der eigentliche Tanz!
Der eigentliche Tanz
Ist es nicht beeindruckend, dass beispielsweise bei einem Eröffnungswalzer in Wien die unzähligen Paare nicht „kollidieren“? Das Geheimnis liegt in der Tanzrichtung, in der Rollenklarheit, wer führt und in der Fokussierung auf eine klare Kommunikation innerhalb des Tanzpaares und mit den Paaren in unmittelbarer Nähe.
Unabhängig davon, welchen Ansatz man aus dem großen Fundus am Change-Modellen wählt, ein Motto ist aus unserer Sicht sehr wichtig: „Die richtigen Dinge tun und die Dinge richtig tun“! Auch in einem CM-Projekt sollte die Kommunikation im Führungsteam und mit den Projektbeteiligten immer klar und transparent sein. Das Handeln, die Richtung sollte immer gut abgestimmt und für alle Beteiligten (die Tanzpaare im Umfeld) nachvollziehbar sein. Gerade Managerinnen oder Manager als Projektbeteiligte - gerne auch Stakeholder genannt - sollten dies bedenken. Es geht eben nicht ohne Kollateralschäden, wenn ein Tanzpaar beschließt, einfach mal quer zu tanzen oder die Richtung zu wechseln. Auch in IT-Projekten muss klar sein, wer führt und welche Rolle der jeweilige Stakeholder hat.
Abschied am Ende des Tanzes
Erst wenn die Musik aufhört, beenden die Tanzpaare den gemeinsamen Tanz. Und natürlich wird die Partnerin von der Tanzfläche geführt, man bedankt sich und verabschiedet sich.
So sollte es auch im Change Management Projekt sein. Nicht zu früh aufhören! Schon gar nicht aus Budgetgründen! Am CM wird gerne gespart. Der neue Prozess soll sich etablieren und „normal“ werden. Der Change endet erst mit dem erfolgreichen Abschluss des IT-Projektes, eben wenn die Band aufhört zu spielen. Und nach dem Motto „Was geht und was bleibt“ sollte am Ende kommunikativ gedankt werden. Erfolgreich ist das Change-Management, wenn alle Beteiligten auf ein da Capo, ein „Spiel nochmal, Sam“ Lust haben.
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