1. September 2020 von Wolfgang Textor
Wofür brauchen wir eigentlich auch noch Solution Architects?
Noch vor einigen Jahren konnten auch große IT-Projekte durch sorgfältige Planung erfolgreich abgeschlossen werden. Doch die Welt hat sich weitergedreht. Heute denken wir in allen Branchen in agilen Methoden und planen just-in-time mit kleinen Teams. In vielen Situationen ist das eine erfolgreiche Strategie. Doch insgesamt haben wir das Problem nur verlagert. „Divide and conquer“ vereinfacht zwar die Lösungsfindung innerhalb der Einzelteile, wenn aber diese Teile nicht zusammengehalten werden, entwickeln sie ein Eigenleben, das gefährliche und nicht integrierbare Insellösungen produziert.
Aber wir haben doch bereits IT Architects!
Als Bill Gates vor fast 20 Jahren für sich die Rolle des Chief Software Architects schuf, wurde der Titel in der Öffentlichkeit noch belächelt. Bereits fünf Jahre später war die Spezialisierung im Software Engineering so weit fortgeschritten, dass weltweit Vereinigungen zur Ausbildung dieser Spezialistinnen und Spezialisten existierten und die ISO der Softwarearchitektur einen eigenen Standard widmete. Auch heute wird immer noch allgemein von IT-Architektinnen und -Architekten gesprochen, wenn es um die Planung von IT-Systemen geht. Doch diese Systeme werden mittlerweile so komplex, dass eine weitere Spezialisierung bei der Aufgabenteilung erfolgt ist, die meiner Meinung nach auch begrifflich stattfinden sollte. Es ist also richtig, dass wir bereits IT Architects haben, aber in Abhängigkeit von ihrem Fokus gibt es heute mindestens drei Varianten von ihnen.
Unter einer Softwarearchitektin oder einem Softwarearchitekt wird heute die fachliche Leiterin oder der fachliche Leiter eines Entwicklungsteams verstanden. Sie oder er verantwortet die technische Architektur, die technischen Standards und die Praktiken für eine Lösung. Dabei fokussiert sich ein Software Architect auf eine Anwendung, die innerhalb eines Projekts umgesetzt wird. Dem gegenüber steht ein Enterprise Architect, der sich für die strategische Weiterentwicklung des IT-Ökosystems eines Unternehmens verantwortlich zeichnet. Dieser beschäftigt sich überwiegend mit der Geschäftsarchitektur und kommuniziert dabei unternehmensweit. Auf dieser Managementebene benötigt ein Enterprise Architect jedoch eine hohe Flughöhe, wenn Stakeholder eingebunden werden sollen.
Die Rolle der IT hat sich bei fast allen Unternehmen in den letzten Jahren weiterentwickelt: von einer unterstützenden Funktion zu einem zentralen Element der Wertschöpfung. Zwischen der unternehmensweiten Entscheidungsebene und den einzelnen IT-Projekten entsteht dadurch eine immer größere Lücke, was sich durch immer mehr fehlschlagende oder knapp an der Katastrophe vorbeischrammende Projekte zeigt. Diese Lücke füllt eine Zwischenebene, die sich speziell mit dem Brückenschlag zwischen den beiden anderen Architekturebenen beschäftigt.
Der Solution Architect kümmert sich um Business-Themen sowie um die Technik und konzentriert sich dabei nicht so sehr auf Details wie ein Software Architect. Aber der Solution Architect ist dazu befähigt, die aufgenommen Themen für Stakeholder sowohl auf der Fach- als auch auf der IT-Seite zu übersetzen. Dabei entwickelt ein Solution Architect Lösungen für spezifische Geschäftsprobleme und unterstützt Enterprise sowie Software Architects dabei, sich auf das jeweilige Fachgebiet erfolgreich zu fokussieren.
Wie schafft ein Solution Architect es, das alles zusammenzuhalten?
Als „Wandler zwischen den Welten“ muss ein Solution Architect ein sehr breites Feld an Aufgaben bedienen können. Hierfür wird ein mindestens ebenso breites Spektrum an technischem Wissen und persönlichen Fähigkeiten benötigt.
Wenn der Solution Architect die Gesamtvision für eine Lösung entwirft, werden Entscheidungen für mehrere Anwendungen einer Fachdomäne getroffen und so die Strategie für ein Produkt oder ein technologisches Umfeld festgelegt. Dabei hilft die Erfahrung als Software oder Enterprise Architect. Da ein Solution Architect Architekturen schnell erstellen kann, entsteht so ein grobes Design der Lösung, das die Basis für die Ressourcenplanungen des Vertriebs oder der Projektleitung darstellt. Sollten dem Solution Archtiect die Anforderungen nicht hinreichend detailliert oder unvollständig vorliegen, hilft die Erfahrung als Business Analyst, diese selbst zu erheben und technisch in der erforderlichen Schürftiefe aufzuarbeiten. In diesem Rahmen werden auch Architekturstandards entwickelt oder die Einhaltung der Qualitätsanforderungen sichergestellt.
Bei der Kommunikation mit fachlichen und technischen Stakeholdern oder der Entscheidungsebene eines Unternehmens kann der Solutions Architect die Sprache und Inhalte so anpassen, dass der jeweilige Zuhörerkreis optimal adressiert wird. Hier unterstützt sie oder er beispielsweise die Projektleitung Struktur, Eigenschaften und Verhalten der Software an den Lenkungskreis zu vermitteln oder Ressourcenplanung und Strategien mit dem Projektziel in Einklang zu bringen. Methodisch setzt ein Soltuion Architect dafür eigene Kenntnisse in Frameworks auf allen Architekturebenen ein und kann so von TOGAF oder IT4IT von der Enterprisearchitektur bis zu Softwarearchitektur Frameworks und Design Patterns auf jeder Ebene sinnvoll unterstützen. Durch die Fähigkeit, schnell Netzwerke aufzubauen, schafft ein Solution Architect Vertrauen auf allen Seiten und hilft somit den einzelnen Teams, ihre speziellen Aufgaben erfolgreich zu erledigen.
Verstanden, und nun?
Solution Architects sind erfahrene IT-Architektinnen und Architekten, die über ihre Erfahrung, ihre Management-Fähigkeiten und ihre Persönlichkeit Brücken zwischen den Welten schlagen können. So vielfältig ihre Aufgabenfelder sind, so vielfältig sind auch ihre Einsatzmöglichkeiten. Das genau macht dieses Berufsbild für mich so spannend. Von der Technologieberatung bis zum Projektmanagement und von der Business Analyse bis zur Enterprisearchitektur ist alles möglich. Sie sind immer dann besonders wertvoll, wenn viele Ebenen von der Entwicklung bis zur Entscheidungsebene von einem Projekt betroffen sind. Das trifft nicht nur bei großen Projekten zu. Auch kleine, aber dafür komplexe oder stark vertikal aufgestellte Projekte, können von der Expertise eines Solution Architects profitieren.
adesso kann aus einem Pool mit vielen erfahrenen IT-Architektinnen und Architekten schöpfen. Ihr Leistungsspektrum verteilt sich von der Software bis zur Enterprisearchitektur. So finden sich hier Architektinnen und Architekten, die als Solution Architects zwischen Business und Technologie übersetzen und damit die Menschen in den Mittelpunkt stellen. adesso fördert aber auch gezielt Talente, die ihre Expertise in Solution Architektur verbessern möchten. Im Competence Center Architekturmanagement für Banken haben wir hierfür ein spezielles Weiterbildungsprogramm aufgesetzt.
Ihr möchtet mehr über spannende Themen aus dem Banking-Bereich erfahren? Dann werft auch einen Blick in unsere bisher erschienenen Blog-Beiträge.