24. September 2024 von Yelle Lieder
Sustainable Innovation - Nachhaltig neues schaffen
Wenn wir neue Produkte, Dienstleistungen, Prozesse oder Geschäftsmodelle entwickeln, tun wir dies immer mit einer großen Vision. Kaum ein Innovator oder eine Innovatorin denkt am Anfang der Reise daran, dass die Potenziale seiner oder ihrer Lösung sehr begrenzt sind und er oder sie damit nur wenig bewirken kann. Sie denken groß und weit in die Zukunft und das ist gut so. Umso wichtiger ist es, ganzheitlich zu betrachten, wie diese Innovationen die Welt beeinflussen, in der wir in Zukunft leben werden.
Dabei geht es nicht nur um Innovationen, die explizit das Ziel der Nachhaltigkeit verfolgen. Also nicht nur um Green Tech und Nachhaltigkeitsprojekte. Es geht vielmehr um alle Arten von Innovationen, die wir in Zukunft schaffen - unabhängig von ihrem primären Zweck. Denn alles, was wir entwickeln, soll möglichst lange Bestand haben und nachhaltig sein, damit es mit dem Erhalt einer lebenswerten Zukunft vereinbar ist.
Laut einer Umfrage der Deutschen Umweltstiftung sehen die meisten Unternehmen Herausforderungen in der praktischen Umsetzung nachhaltiger digitaler Innovationen. Entgegen dem hartnäckigen Narrativ, dass Unternehmen das Thema einfach nicht für wichtig halten, zeigen die Umfragedaten, dass die interne Priorisierung in weniger als der Hälfte der Fälle als Hindernis genannt wird. Dieser Blog-Beitrag gibt daher einige Denkanstöße, wie digitale Innovationen in der Praxis umgesetzt werden können.
Nachhaltigkeitsziele berücksichtigen
Nachhaltige Innovationen berücksichtigen die bestehenden Nachhaltigkeitsziele des Unternehmens, in dem sie umgesetzt werden. Der Druck von Investoren, Kundinnen und Kunden sowie der Gesetzgebung, verantwortungsvoll zu handeln, nimmt zu. Wir müssen sicherstellen, dass alle neuen Innovationen auch einen Beitrag zu den Nachhaltigkeitszielen unseres Unternehmens leisten. Zukünftig darf es keine Initiativen mehr geben, die nicht zur Zielerreichung beitragen oder ihr sogar schaden.
Lebenszyklus ganzheitlich betrachten
Nachhaltige Innovationen betrachten den gesamten Lebenszyklus. Gerade bei digitalen Innovationen darf nicht nur die Nutzungsphase im Fokus stehen. Auch der Entwicklungsprozess muss nachhaltiger gestaltet werden. Auch das Ende des digitalen Produktlebenszyklus wird häufig unterschätzt. So war beispielsweise bei der Insolvenz des E-Bike-Anbieters Vanmoof im vergangenen Jahr unklar, ob die Räder ohne die dazugehörige App noch abgeschlossen werden können. Wäre Vanmoof nicht gerettet worden, wären viele Fahrräder unbrauchbar geworden. Hier muss im Vorfeld Vorsorge getroffen werden. Wir wollen also vor der Umsetzung von Innovationen prüfen, wo Maßnahmen ergriffen werden müssen, um negative Umweltauswirkungen in den einzelnen Lebenszyklusphasen zu vermeiden.
Non-User Bedürfnisse berücksichtigen
Nachhaltige Innovationen berücksichtigen auch die Bedürfnisse der Nichtnutzenden. User Centricity ist längst kein Trend mehr, sondern Normalität in gut organisierten Teams. So wichtig es ist, die Nutzer in den Mittelpunkt des Innovationsprozesses zu stellen, so oft werden dabei andere Stakeholder vergessen. Ein prominentes Beispiel ist die Google Maps Navigation, die Autofahrerinnen und -fahrer effizient ans Ziel bringt, während Anwohner und Umwelt unter nicht nachvollziehbaren Änderungen der Routenführung leiden. Wenn der Algorithmus plötzlich entscheidet, tausende Autos täglich durch eine Spielstraße zu leiten, ist das zwar gut für die Nutzermetrik kürzeste Route, aber leider zu kurz gedacht. Wir wollen daher bei der Entwicklung von Lösungen auch die Auswirkungen auf die Umwelt berücksichtigen und nicht nur den User um jeden Preis in den Mittelpunkt stellen.
Diversität fördern
Nachhaltige Innovationen fördern die Vielfalt im Innovationsprozess. Nur wenn möglichst unterschiedliche Menschen am Innovationsprozess beteiligt sind, entstehen wirklich gute Lösungen. Ein Beispiel ist die auf Männer ausgerichtete Entwicklung von PKW-Anschnallsystemen, bei der Frauen überproportional häufig verletzt werden. Solche vermeidbaren Fehler können durch Vielfalt vermieden werden. Nur eine große Pluralität von Erfahrungen, Hintergründen und Prädispositionen im Innovationsprozess stellt sicher, dass Lösungen möglichst vielen Anspruchsgruppen gerecht werden.
Rebound-Effekte antizipieren
Nachhaltige Innovationen antizipieren Rebound-Effekte. Wenn Lösungen effizienter, kostengünstiger und damit attraktiver in der Anwendung sind, ist davon auszugehen, dass sie vermehrt eingesetzt werden. Der daraus resultierende Rebound-Effekt führt dazu, dass insbesondere Effizienzsteigerungen häufig zu weniger Nachhaltigkeit führen. Die Beispiele reichen von effizienteren Autos, die mehr gefahren werden, bis hin zu effizienteren Netzwerktechnologien, die die Datenübertragung günstiger machen und damit letztlich noch mehr Ressourcen verbrauchen. Wir wollen solche Effekte im Innovationsprozess antizipieren und ihnen entgegenwirken. Effizienz ist nicht mit Nachhaltigkeit zu verwechseln. Effizienzsteigerungen sind vor allem dort möglich, wo die Nutzung einen natürlichen Sättigungspunkt erreicht hat. Wenn beispielsweise unser Zeiterfassungssystem nächste Woche zehnmal schneller läuft, werden wir nicht zehnmal mehr Stunden erfassen.
Impacts abschätzen
Nachhaltige Innovationen bewerten die Auswirkungen auf die Sustainable Development Goals (SDGs). Bei der Entwicklung neuer Innovationen sollten wir ihre Auswirkungen auf die SDGs untersuchen. Das kann sowohl positiv als auch negativ sein. Wenn ich beispielsweise eine Lösung entwickle, die mithilfe von KI die Lernerfahrungen von Studierenden verbessert und damit zu SDG 4 (Hochwertige Bildung) beiträgt, das Training und der Betrieb aber sehr viel Strom verbrauchen und damit SDG 13 (Maßnahmen zum Klimaschutz) entgegenwirken, ist es wichtig, diesen Trade-off zu identifizieren und zu bewerten. Ohne eine entsprechende Analyse der möglichen positiven und negativen Auswirkungen werden wir nie auf solche Trade-offs aufmerksam werden.
Nachhaltigkeit erleichtern
Nachhaltige Innovationen erleichtern Nachhaltigkeit für die Nutzerinnen und Nutzer. Indem wir Nachhaltigkeitspräferenzen abfragen und die Nachhaltigkeitsimplikationen der Lösung transparent machen, können wir einen aktiven Beitrag leisten. Darüber hinaus haben wir die Möglichkeit, den Nutzenden nachhaltiges Handeln zu erleichtern. So sollte die nachhaltige Alternative immer die am einfachsten zu erreichende sein. Wenn wir beispielsweise einen Online-Lebensmittellieferservice anbieten, könnte ein direkter Filter für vegetarische Gerichte prominent platziert werden, um den Nutzenden die Entscheidung für nachhaltigeres Handeln zu erleichtern. Der Anwendungsfall und der Nutzungskontext der Innovation müssen also keinen Bezug zur Nachhaltigkeit haben und können dennoch Nachhaltigkeit berücksichtigen.
Kontinuierliche Verbesserung
Nachhaltige Innovation ist ein kontinuierlicher Prozess, der auf langfristige Wertschöpfung ausgerichtet ist. Nachhaltigkeit muss immer als fortwährende Anforderung betrachtet werden, auch wenn Lösungen weiterentwickelt werden. Ein zentraler Aspekt ist die regelmäßige Bewertung und Anpassung der ökologischen und sozialen Auswirkungen von Innovationen. Daher ist es wichtig, flexibel auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse und technologische Entwicklungen zu reagieren. Dies kann bedeuten, dass bestehende Produkte angepasst oder durch neue, nachhaltigere Alternativen ersetzt werden. Schließlich sollten Fortschritte und Herausforderungen im Bereich Nachhaltigkeit transparent kommuniziert werden. Ein offener Dialog mit den Stakeholdern stärkt das Vertrauen und fördert die Zusammenarbeit zur Erreichung gemeinsamer Nachhaltigkeitsziele. Durch die kontinuierliche Verbesserung ihrer Ansätze können Unternehmen sicherstellen, dass ihre Innovationen nachhaltig und zukunftsfähig bleiben.
Expertenwissen nutzen
Nachhaltige Innovationen nutzen Expertenwissen. Nicht jede Person ist Expertin oder Experte für nachhaltige Innovationen und oft gibt es Zielkonflikte und Rebound-Effekte, die auf den ersten Blick nicht sichtbar sind. Nicht umsonst gibt es Fachleute auf diesem Gebiet. Man sollte also Expertenwissen nutzen und nicht glauben, alles selbst machen zu können. Durch den Einsatz erfahrener Fachleute kann sichergestellt werden, dass Nachhaltigkeitsmaßnahmen einen hohen ROI haben und Risiken wie Greenwashing minimiert werden.
Nachhaltig neues schaffen
Bei der Entwicklung unserer Innovations- und Digitalisierungsstrategien müssen wir stets die bestehenden Nachhaltigkeitsziele berücksichtigen. Wir müssen sicherstellen, dass wir nicht nur die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer, sondern auch die der Nichtnutzenden und der Umwelt berücksichtigen. Denken wir an mögliche positive und negative Auswirkungen auf die Sustainable Development Goals (SDGs) und arbeiten wir mit einem vielfältigen Team an der Entwicklung und Validierung von Prototypen. Im Rahmen des Change Managements bei der Einführung von Innovationen müssen wir ein kontinuierliches Monitoring der Nachhaltigkeitsimplikationen etablieren und bereit sein, negativen Trends entgegenzuwirken. Wir müssen unsere Nutzer dabei unterstützen, ihre persönlichen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, indem wir nachhaltige Alternativen leicht zugänglich machen.
Wir alle tragen Verantwortung für die Lösungen, die wir in die Welt setzen. Dieser Handlungsleitfaden soll uns dabei helfen, dieser Verantwortung gerecht zu werden und gemeinsam eine nachhaltige Zukunft zu gestalten.